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Von Drehbüchern und Hoppelhäschen

Eine Kolumne von Nadine Knobloch

Bild - Von Drehbüchern und Hoppelhäschen
„Sie lief durch die dunkle Nacht und setzte behutsam, aber dennoch festen Schrittes einen Fuß nach dem anderen auf dem vom Nebel durchtränkten Boden auf. Hoch über ihr zwischen den mächtigen Baumkronen prangte der Mond am Firmament, sein helles Licht stach in ihren Augen. Sie wusste, sie musste weiter. Das war ihre einzige Chance. Ihre Glieder schmerzten und die Müdigkeit ergriff immer mehr Besitz von ihr.

Doch dann plötzlich…hüpfte ein rosa Hoppelhäschen aus dem Gebüsch…“ 

Nein, nein, nein. Nochmal von vorne. Also: Konzentration. „Sie lief durch die dunkle Nacht und dann...“ Ja, was dann? Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Oh je. Mein Kopfkino lief doch bei der ersten Idee für mein neues Drehbuch so überaus auf Hochtouren. Und jetzt, wo ich diese überragende, grandiose, meilensteinmäßige, oscarverdächtige - oder so ähnlich - Supergeschichte endlich aufschreiben will, ist plötzlich Sendeschluss. „Sie“ läuft gerade nirgendwo mehr hin. Einen Namen hat „sie“ übrigens auch nicht, fällt mir da gerade auf.


Dafür schaltet sich jetzt der innere Kritiker ein, ungefragt natürlich. Passt zur dunklen Nacht überhaupt der helle Mond? Wird die erste Person, die das liest nicht sofort sagen, dass das ja überhaupt keinen Sinn ergibt und sowas von total unrealistisch ist? Das sagt bestimmt irgendjemand! Es gibt IMMER diese eine Person, die sagt, es sei unrealistisch. Und wie kann eine dunkle Nacht einen hellen Mond haben, denn dann wäre es ja keine dunkle Nacht mehr? Und warum läuft sie, die Namenlose, und wieso sind da Bäume? Warum ist da überhaupt irgendwas und wenn ja, was ist denn da genau und wieso ist da kein anderer und wo kommt sie her und warum will sie irgendwo hin? Und wie kann es sein, dass „sie“ da etwas sehen kann, wenn nur der Mond scheint? Und warum packt sie keine Taschenlampe oder wenigstens ihr Handy aus? Und wie will ich das überhaupt inszenieren, so dass es aussieht, als sei es wirklich eine dunkle Nacht mit einem hellen Mond und ohne Handy? Weil: es soll ja anno dazumal spielen und nicht im Facebook-Instagram-Tik Tok-Zeitalter.

Und eigentlich sollte ich das mit dem Drehbuch schreiben einfach am besten komplett und ganz und für alle Ewigkeit einfach sein lassen und lieber die Schachtel mit den Schokopralinen da hinten auf der Ablage aufessen und dann mal nach der Post sehen. Und vielleicht muss der Hund ja auch noch raus. Puh. Super, das blöde Gedankenkarussell funktioniert jedenfalls. 

Mal überlegen. Wie haben das denn andere, bedeutende Autoren gemacht? Die Sache mit der Inspiration meine ich. Also Ernest Hemingway brauchte eine beachtliche Menge Alkohol, um schreiben zu können.

Jaaaa…nein. Für mich eher keine Option. 
Mal googeln. „Wie schreibt man ein Drehbuch“. Antwort 1 Google: „Welche Schriftart man für ein Drehbuch verwendet“ – ich verwende hier gerade Arial und bin eigentlich ganz zufrieden damit. Antwort 2 Google: „Wie Schreibt Man Ein Drehbuch“ – Gegenfrage: Warum Sind Hier Alle Anfangsbuchstaben Groß Geschrieben??? Antwort 3 Google: „Ist es schwierig ein Drehbuch zu schreiben?“. Nö. Wieso? 



Das rosa Hoppelhäschen hüpft wieder vorbei. Da ich gerade nichts anderes zu tun habe, folge ich ihm einfach mal. Bei näherer Betrachtung fällt mir auf, dass das Häschen gar nicht rosa ist, sondern nur einen rosa Mantel trägt. Es hüpft durch eine Lichtung mitten hinein in ein undurchsichtiges Etwas. Die weißen Schatten kämpfen sich bedrohlich durch das Gestrüpp. Wir weichen den feinen Ästen aus, die wie aus dem Nichts im Dunkeln auftauchen und uns immer wieder zu bremsen versuchen. Das Hoppelhäschen wird schneller. Es schlüpft wendig und gekonnt durch die immer kleiner werdenden Löcher des Dickichts, ich komme kaum noch hinterher. Die Äste werden dichter und nehmen mir die Sicht.

Nur mit größter Mühe kann ich mein Gesicht vor den Dornen schützen, die kalt und spitz aus den Büschen schießen. Ich bleibe stehen. Ich suche das rosa Hoppelhäschen. Ich kann es nicht mehr sehen. Es ist weg. Ich bin ganz allein in der von Mondlicht gefluteten, kalten Nacht. In der Ferne ist der Ruf einer Eule zu hören. Dann Stille. Ich blicke um mich. 
Avila. Ich werde sie Avila nennen.

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