Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 03.2010
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Solange Rosenberg

„Zehn Gebote sind der Maßstab“

Die jeweils im März stattfindende „Woche der Brüderlichkeit“ und die jährliche Veranstaltung zum Gedenken an die Reichspogromnacht gehören zu den am meisten beachteten Aktivitäten im Jahresprogramm der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit (GCJZ). Ideelle Träger der Gesellschaft sind die Jüdische Gemeinde Karlsruhe, die Katholische Kirche Karlsruhe, der Evangelische Kirchenbezirk Karlsruhe-Durlach sowie die Stadt Karlsruhe. Drei Vorsitzende bilden paritätisch den Vorstand, zur Zeit sind dies der katholische Pfarrer Erhard Bechtold, sein evangelischer Kollege Pfarrer Ulrich Schadt und Solange Rosenberg als jüdische Vorsitzende. Klappe Auf sprach mit der auch im Vorstand der Karlsruher jüdischen Gemeinde aktiven 64-Jährigen, die seit drei Jahren Geschäftsführerin der rund 250 Mitglieder zählenden Karlsruher GCJZ ist.

Die GCZJ wurde in Karlsruhe 1951 als eine der zehn ersten gegründet und ist heute eine von mittlerweile 80 in Deutschland. Welche Gedanken führten, wenige Jahre nach den von Deutschen begangenen Massenmorden, zur ihrer Gründung´

Rosenberg: Die Initiative dazu wurde nach dem Zweiten Weltkrieg angeregt durch bereits bestehende Einrichtungen für christlich-jüdische Zusammenarbeit in den USA, in Großbritannien, Frankreich und der Schweiz. Die amerikanische Besatzungsmacht war beim Aufbau der ersten Gesellschaften in Deutschland beteiligt und sah es als Teil ihres Bestrebens, die Deutschen zu demokratischem Denken zu erziehen. Das ist heute natürlich weit weg, aber noch immer setzen wir uns ein, wie es auch in unserer Satzung heißt, für die Verwirklichung der Rechte aller Menschen auf Leben und Freiheit ohne Unterschied des Glaubens, der Herkunft oder des Geschlechts.


Ein Ziel der Gesellschaft ist es, möglichst viele Menschen anzusprechen und sie durch Dialog und Information zu Toleranz und gegenseitiger Achtung aufzurufen. Auf welchem Wege erreichen sie junge Menschen´

Rosenberg: Das ganze Jahr über werde ich eingeladen, in Schulen über Jüdischkeit zu erzählen, und ich erlebe, dass die Jugendlichen sehr interessiert daran sind, wie Juden leben und wie sie ihren Alltag bestreiten, der durch viele Vorgaben, zum Beispiel für koschere Speisen, bestimmt ist. Ich erkläre auch, dass es verschiedene Strömungen im Judentum gibt und nicht jeder Jude das gleiche Leben führt. Aber auch die christliche Seite hat ihr Informationspotential, jeder berichtet über das, was er zu sagen hat. Mit unterschiedlichen Angeboten in unserem Jahresprogramm gelingt es uns sowohl ältere als auch jüngere Menschen anzusprechen. Für die Woche der Brüderlichkeit suchen wir jeweils einen Film aus, der am Vormittag für Schulklassen gezeigt wird und von bis zu 200 Schülern gesehen und besprochen wird. In diesem Jahr läuft „Berlin 36 - die wahre Geschichte einer Siegerin“ über die Hochspringerin Gretel Bergmann.


Haben sich im Laufe der Jahre Schwerpunkte Ihrer Arbeit verändert´

Rosenberg: Die Schwerpunkte haben sich im Laufe der Zeit in Wellen immer wieder verlagert von mal mehr politischen zu mal mehr theologischen Inhalten, aber vor allem geht es uns um Dialog, gegenseitiges Kennenlernen und die Förderung der Verständigung. Meine Wunschvorstellung ist es, dass wir eines Tages so gut gearbeitet haben, dass das Verständnis füreinander selbstverständlich ist und wir diese Arbeit nicht mehr brauchen.


Wie erleben Sie als Jüdin das heutige Deutschland, wie spürbar ist Antisemitismus´

Rosenberg: Ich glaube, dass jeder Jude eine Antenne dafür hat: Freund oder Feind´ Ich bin mir im Klaren darüber, dass ich nicht nur von Freunden umgeben bin, und habe für mich die Regel aufgestellt, es muss mich nicht jeder lieben, ich liebe auch nicht jeden. Antisemitismus nutzt niemandem, und die GCJZ versucht klarzumachen, dass es überhaupt niemandem dient, jemanden wegen seiner Herkunft oder Religion abzulehnen. Persönlich habe ich sehr wenig üblen Antisemitismus erlebt, ich habe einfach Glück gehabt. Seit 25 Jahren lebe ich in Karlsruhe und habe hier sehr positive Erfahrungen gemacht.

„Verlorene Maßstäbe“ ist das Motto der diesjährigen „Woche der Brüderlichkeit“. Ausgewählt hat es der Deutsche Koordinierungsrat, der Dachverband der GCJZ. Gibt es gemeinsame Leitlinien von Juden und Christen in ihrer Haltung zur Welt und zu den Mitmenschen, und inwiefern sind diese in der heutigen Zeit verloren gegangen´

Rosenberg: Für alle gelten die Zehn Gebote, sie sind die Basis der christlichen und jüdischen Religion. Meiner Ansicht nach sind die Maßstäbe nicht gänzlich verloren, aber es gilt sie wieder ins Bewusstsein zurückzuholen. Der Mensch braucht ein Raster, in dem er lebt, ohne das geht er zugrunde, aber er ist auch Architekt dieses Rasters, darüber zu sprechen und nachzudenken wollen wir anregen.

INFOKASTEN

„Woche der Brüderlichkeit“ > Joel Berger, Landesrabbiner a.D., hält die Festansprache zur Eröffnung, 7.3., 19.30 Uhr, Stephansaal. Die dramatischen Lesung „Ich suche meinen Namen“ von Jutta Berendes mit Schauspielern des Staatstheaters beleuchtet das Leben des früheren Direktors der Badischen Landesbibliothek Ferdinand Rieser, 8.3., 19.30 Uhr, Badische Landesbibliothek. Der Baseler Neutestamentler Ekkehard Stegemann fragt „Braucht der Christlich-jüdische Dialog einen neuen Aufbruch´“, 9.3., 19.30 Uhr, Jüdische Gemeinde, Knielinger Allee 11. „Der Golem“, Schauspiel und Pantomime, 11.3., 20.15 Uhr, Sandkorntheater, Kaiserallee 11. Musical „Esau und seine Brüder“, 13.3., 19 Uhr, und 14.3., 18 Uhr, Agneshaus, Hirschstr. 37a. Synagogenführung, 14.3., 11 Uhr, Knielinger Allee 11. Der Augsburger Theologe Hanspeter Heinz spricht zum Thema „Abkehr vom Vatikanum II´“, 16.3., 19.30 Uhr, Schofersaal Ständehausstr. 6. > 7.-14.3., ausführliches Programm unter www.gcjz-karlsruhe.de