Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 02.2006
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Sandkorn-Theater

Spezielle Körnung...

... für den besonderen Geschmack


Das Sandkorn-Theater feiert 50. Geburtstag.


Schauspiel, Kabarett, Kinder- und Jugendtheater, auch Musicals, bietet das Haus, das aus einer kirchlichen Gruppe entstand. 25 Mitarbeiter, darunter acht fest angestellte Schauspieler bespielen heute die beiden Bühnen in der einstigen Turbinenhalle der Stadtwerke. An der Spitze steckt ein Kopf: Siegfried Kreiner - Schauspieler, Verwaltungschef und Regisseur. Klappe Auf sprach mit einem streitbaren Intendanten über Sorgen, Bringschuld und das Theater als moralische Anstalt.

´ Herr Kreiner, wie geht es Ihnen´
Kreiner: Mir geht’s gut.

´ Keine Sorgen´
Kreiner: Die sind schon so zum Alltag geworden. Da denkt man, man wäre raus, aber die Ökonomie...

´ Immerhin leisten Sie sich ein festes Ensemble
Kreiner: Ja, als einziges Kleintheater in Baden-Württemberg haben wir ein festes Ensemble. Wir sind damit flexibler. An anderen privaten Theatern sind die Schauspieler vielleicht zwei, drei Monate engagiert. Bei uns laufen Verträge über ein Jahr. Aber in unseren Verträgen steht auch drin, dass die Schauspieler Service Aufgaben, zum Beispiel an der Kasse übernehmen müssen.

´ So als Mädchen für alles´
Kreiner: Das geht einfach rundum. Für das Wachsen der Persönlichkeit ist das sehr wichtig. Die Schauspieler lernen die ganze Infrastruktur des Theaters kennen.

´ Und Sie sind der Kopf´
Kreiner: Ich habe das Sandkorn-Theater gegründet. Da leg’ ich schon Wert drauf, auf dieser Feststellung. Anfangs waren wir so um die 10, 15 Leute, wir sind aus der kirchlichen Jugendarbeit hervorgegangen.

´ Als Amateurtheater später als Semi-Professionelles Theater. Und heute sind Sie...´
Kreiner: ...ein Profitheater. Spätestens seit 1987. Da hat uns das baden-württembergische Ministerium anerkannt. Die Stadt Karlsruhe hat ein bisschen länger gebraucht.

´ Wie sehen Sie Ihr Theater im Vergleich zum Badischen Staatstheater´
Kreiner: Zu uns kommt man einfach so, wenn ich ins Staatstheater gehe, ziehe ich mich um.

´ Diesen Monat feiern Sie 50 Jahre Sandkorn-Theater. Vom Kirchenspiel sind Sie unter anderem zu Shoppen und Ficken gekommen, das hat viel Staub aufgewirbelt...
Kreiner: Wir heißen Sandkorn auch weil das für Sand im Getriebe steht. Wir können unangenehm und unbequem sein. Theater ist immer auch Katharsis. Im übrigen haben wir viele Sachen initiiert. Wir waren die ersten die Kabarett gemacht haben und wir haben lange vor anderen zeitgenössisches Theater gespielt. Arrabal zum Beispiel, vor vielleicht 40 Jahren. Oder Beckett auf Englisch mit „happy days“. Wir haben in Karlsruhe das Kinder- und Jugendtheater, das heißt emanzipatorisches Kinder- und Jugendtheater auf den Weg gebracht und die Spielstätte Bluemix mit begründet.

´ Sie sind mutiger als andere´
Kreiner: Ja, trotz meines Alters. Wir trauen uns mehr.

´ Sie können ganz schön streitbar sein. Manch einer sagt Ihnen nach, Sie seien cholerisch. Und die Beziehungen zu anderen Theatern könnten besser sein, oder´
Kreiner: Streitbar´ Durchaus. Ich habe meine Meinung und ich kann mit großer Ehrlichkeit durchs Leben gehen. Cholerisch, das sagen gelegentlich meine Feinde. Ich betrachte mich nicht so. Ich bin vor allem ein denkender Mensch. Ich kann Nächte mit Nachdenken verbringen. Wenn ich mal falsch liege, räume ich das auch gegenüber dem Ensemble ein, gute menschliche Beziehungen sind mir sehr wichtig. Bei den Bühnen spielen sie auf das Staatstheater an. Ich hab’ davon nicht angefangen. Das ist eine Frage der persönlichen Beziehungen. Bis zum jetzigen Intendanten hat die Kommunikation immer funktioniert. Es wäre einfach hilfreich, wenn es einen Austausch über die Spielpläne gebe.

´ Und das Kammertheater´
Kreiner: Da sind wir bei einem grundsätzlichen Problem. Wissenschaftshauptstadt werden wir nicht, auch nicht Kulturhauptstadt. Fahrradhauptstadt ist noch übrig geblieben. Ja und Kultur(-hauptstadt) heißt für die Stadt Event-Kultur. Für Leute und große Namen von Außen wird viel Geld ausgegeben - einfach so. Die lokale und regionale Kulturszene hat dagegen immer eine Bringschuld, so sieht das jedenfalls die Stadt. Wir stehen unter permanenter Beweislast. Nur das Kammertheater fällt nicht unter diese Kategorie. Dabei vertreten wir(!) doch Karlsruhe in der Welt, zum Beispiel in Kanada...

´ Kanada, Marokko, Georgien, Russland, Neuseeland, Elfenbeinküste..., was machen Sie da´
Kreiner: Wir spielen und lernen viel von den Theatern und Regisseuren dort, die zum Teil in der ganzen Welt auftreten. Durch Gastspiele erfahren wir viel über andere kulturelle Zusammenhänge und unsere eigene Position in Deutschland. Das erweitert den Horizont. Stadt- und Staatstheater täten gut daran, mal in die große weite Welt zu gehen und aus der Distanz auf die eigene Arbeit zu schauen. Für mich ist Theater eine Kunstform, die schon auch als moralische Anstalt gelten kann. Moralin gehört da mit eingemischt. Das Theater hält dem Publikum einen Spiegel vor.

´ Welche Erfolge und Pleiten haben sie in 50 Jahren Sandkorn verbucht´
Kreiner: Der größte Erfolg war die „Bauernoper“ in einer Fabrikhalle auf dem jetzigen Gelände des Renaissance-Hotel. Das war der Durchbruch. Die Leute kamen mit Bussen...

´ Und Pleiten´
Kreiner: Nein wirklich, Pleiten gab’s nicht. Enttäuschungen schon - die Schwierigkeiten mit der Stadt und den Politikern zu verhandeln.

´ Sie feiern Ihren 66. Geburtstag. Jahrzehnte der Alleinherrschaft liegen hinter Ihnen. Steffi Lackner soll Sie beerben. Wann´
Kreiner: Ich denke, dass ich das bis 70 machen kann, ohne unangenehm zu werden. Ich komme immer noch mit Innovationen und Ideen und habe ständig das Publikum im Blick. In Zukunft möchte ich wieder mehr Klassiker zeigen. Jetzt haben wir „Kabale und Liebe“ im Spielplan, aber auch „Don Camillo und Pepone“ im Innenhof der IHK als Freilichttheateraufführung. Zarathustra wäre auch so ein Traum.

´ Und wenn Sie drei Wünsche frei hätten´
Kreiner: Stühle. Wir brauchen unbedingt neue Stühle, oben fürs Studio und für die Bühne unten, die sind mindestens 50 Jahre alt. 60 Stühle fürs Studio und noch mal 200 fürs Fabriktheater. Und eine Verglasung und Überdachung des Eingangs mit einem Bistro wäre schön. Die Pläne haben wir... ja und der Ausstieg aus dem Sandkorn-Theater´ Ich hatte mir eine Frist gesetzt, aber eigentlich will ich mich nicht festlegen. Ich denke, das wird gleitend auslaufen, das kann schon noch Jahre oder Monate gehen... es wird bestimmt eine Überraschung.
- Interview: Susann Lütter

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Als Schülerin hat sie schon ins Sandkorn reingeguckt. Seit 14 Spielzeiten gehört sie dem Theater fest an. Steffi Lackner inszeniert, macht Programm und zieht mit Erik Rastetter im Hintergrund Fäden. Die gelernte Theaterwissenschaftlerin ist designierte Nachfolgerin Siegfried Kreiners. Klappe Auf sprach mit Steffi Lackner über Standbeine, Experimente und den Umgang mit streitbaren Intendanten.

´ Frau Lackner, wie arbeitet es sich mit einem streitbaren Intendanten´
Lackner: Man kann sich auf ihn verlassen. Siegfried Kreiner zeichnet sich durch seinen Instinkt aus, vielleicht sollte man es auch Erfahrung nennen. Der Umgang ist durchwachsen. Durch sein Einzelkämpfertum trifft er manchmal Entscheidungen, die nicht mit dem Team abgesprochen sind.

´ Werden Sie anders arbeiten´
Lackner: Theater ist Kommunikation. Auch abseits der Bühne setze ich auf Gespräche und Austausch.

´ Geht das Sandkorn unter ihrer Leitung langfristig in eine andere Richtung´
Lackner: Wir probieren, immer die Zukunft zu fassen. Wir möchten qualitativ gutes und interessantes Theater machen, aktuelle Themen der Gesellschaft aufgreifen. Was in zehn Jahren sein wird, das ist schwer zu sagen.

´ Wo liegen die Stärken Ihres Theaters´
Lackner: Wir haben viele Standbeine, das Kinder- und Jugendtheater oder zeitgenössische Stücke in denen wir mit Witz ernste Themen transportieren. Das Spritzige, Witzige, Skurrile gehört zu unserer Arbeit. Über die Jahre ist das schon zu unserem Markenzeichen geworden. Unsere Stärke, das ist das Know-How
in den Genres. Wir sind flexibel und wir können schnell Entwicklungen aufnehmen. Im Vergleich zu großen Häusern, die viel arbeitsteiliger organisiert sind, sind wir sehr viel näher an den einzelnen Arbeitsprozessen dran, das gefällt mir.

´ Und wie lebt man so mit der Aussicht, ein Theater zu leiten´
Wir haben Beispiele von Privat-Theatern, wo der Wechsel vollzogen und gut gelaufen ist. Aber es wird sehr schwer. Rund 40 Kleintheater gibt es in Baden-Württemberg, d.h. genauso viele Kämpfernaturen. Ich bin auch eine Kämpferin, zäh, beharrlich, ich bleib dran. Das Sandkorn ist immer wieder für Experimente und Überraschungen gut. Bei ganz heiklen Themen müssen wir abwägen und dafür sorgen, dass wir andere Stücke haben, die das ausgleichen können. Dann ist da noch eine andere Sache, ein Satz, den eine Schauspielerin einmal vor einer Premiere, die immer auch mit Ängsten verbunden ist, gesagt hat: „Wir unterhalten das Publikum, aber auch uns muss es Spaß machen, also `habt’ Spaß´!“
Interview: lütt

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> Die Festwoche: vom 12. bis 19. Februar bietet das Theater „Klassiker“ wie „Was heißt hier Liebe“ (15.2.) in einer neuen Inszenierung von Frank Landua, gibt Helmut Ruge mit „Top oder Hopp“ ein Gastspiel (16.2.) oder gucken René Egles und Harald Hurst nach „Hüwwe und Driwwe“ (12.2.). Zum Auftakt kommen am 12. Februar „Ritter Rost und die Hexe Verstexe“ (15 Uhr) auf die Bühne.
> Das Geburtstagsfest: Am Freitag, 17. Februar, beginnt um 18 Uhr das Geburtstagsfest mit einem Open-Air-Spektakel: Lightshow, Feuer, Musik und ein Lauf durch die Geschichte des Sandkorn mit Ausschnitten aus Produktionen stehen auf dem Programm (Eintritt frei).
> Die Gala: Ebenfalls am 17. und zwar ab 19 Uhr geht es dann drinnen weiter: mit Polit-Prominenz wie dem Landesvater a.D. und Schirmherrn des Fördervereins der Kleintheater Baden-Württemberg, Lothar Späth, der die Festrede halten wird, einer 50er Jahre-Party, sowie Auftritten von Anna Krämer, Harald Hurst, Joana, rastetter & wacker, dem Sandkorn-Ensemble, Helmut Ruge und Überraschungsgästen. Eintritt: 200 Euro (als Zuschuss für eine neue Bestuhlung).
> Ganz „normal“ auf dem Februar-Spielplan stehen unter anderem im Kinder- und Jugendtheater „Eins auf die Fresse“ und „Heidi“. In der Fabrik geht es mit Schiller „Kabale und Liebe“ und „Der kleine Horrorladen“ über die Bühne. Im Studio bieten rastetter & wacker ein „Potpurree!“ und als Eigenproduktion zeigt das Sandkorn das Kabarett „Versiebt in Berlin.


> Sandkorn Theater, Kaiserallee 11, 76133 Karlsruhe, info@sandkorn-theater.de - Tel 0721-848984 - www.sandkorn-theater.de















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