Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 06.2012
Verschiedenes Meldungen

 

Bürgermeister Jäger

Die Kulturlandschaft zukunftsfähig machen

Vor dem Hintergrund der Kunstkonzeption „Kultur 2020“ des Landes Baden-Württemberg und des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes der Stadt Karlsruhe (ISEK) haben sich Kulturbürgermeister Wolfram Jäger und das ihm unterstellte Kulturamt vorgenommen, bis Ende des kommenden Jahres ein umfassendes Kulturkonzept für Karlsruhe zu erstellen. Für die Klappe Auf unterhielt sich Johannes Frisch mit dem Kulturbürgermeister über dieses Projekt, die städtische Kulturförderung und virulente Themen kommunaler Kulturpolitik.

Herr Jäger, wer braucht das entstehende Kulturkonzept´

Jäger: Indem wir auf die Zukunft der kommenden zehn Jahre und darüber hinaus ausgerichtet untersuchen, welche Möglichkeiten, Wünsche und Bedürfnisse Kulturanbieter und -interessierte haben, wollen wir nicht nur das städtische Kulturangebot, sondern die ganze Kulturlandschaft zukunftsfähig machen und der Politik Handlungsaufforderungen geben, damit sie die nötigen Mittel zur Verfügung stellt. Dabei kann das Kulturkonzept den Kulturvermittlern und -akteuren als Richtschnur dienen, wie sie ihre Schwerpunkte möglichst sinnvoll setzen können. Städtischerseits erarbeiten wir nicht nur Handlungsfelder, sondern befragen zum Beispiel auch Form und Konzeption der großen Festivals Frauenperspektiven und Europäische Kulturtage und erarbeiten eine Neukonzeption des Stadtmuseums. Das Kulturkonzept soll allen nützen, die sich mit Kultur befassen, aber auch jenen, die der Kultur noch distanziert gegenüberstehen. Denn unter den Stichworten „Kultur für alle“ und „Kulturelle Bildung“ möchten wir möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern vermitteln, dass Kultur ein Grundnahrungsmittel ist.

Das Kulturkonzept entsteht auch über den Einbezug von Bürger-Experten. Höhepunkt dieses Prozesses war ein Workshop mit weit über 200 im weitesten Sinne Kulturschaffenden. Welche wichtigen und überraschenden Erkenntnisse haben sie aus dieser Veranstaltung gewonnen´

Jäger: Zunächst einmal habe ich viele Menschen getroffen, die dieses Treffen toll fanden, weil so unterschiedliche Menschen und Sichtweisen aufeinander trafen und sich austauschten. Im Einzelnen gab es mehrere Dinge, die mich überraschten. Das waren Ideen, die sich wohl nur in solch einem Gruppenprozess ergeben können. Wir werden die Ergebnisse in Kürze im Internet veröffentlichen und für das Kulturkonzept aufarbeiten. Alle sind eingeladen, sich mit weiteren Anregungen am Prozess zu beteiligen.

Das Kulturkonzept ist mitten im Entstehungsprozess. Ist für Sie bereits etwas erkennbar, was sich unbedingt in Karlsruhe verändern sollte´

Jäger: Letztlich geht es um die Schwerpunktsetzung, und ich denke, dass wir in Zukunft den angesprochenen Feldern der kulturellen Bildung und der Teilhabe aller immer mehr Beachtung schenken müssen. Auch der Umgang mit unserem kulturellen Erbe - Stichwort "Digitalisierung" - ist eine große Herausforderung für die Zukunft.

Mit dem Neubau- und Renovierungswünschen haben sich Badisches Staatstheater und ZKM mit gewaltigem Investitionsbedarf gemeldet. Durch die Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst kommt es bei den Kulturtankern, aber natürlich auch den städtischen Kultureinrichtungen zu gravierenden Mehrkosten. Wo soll das Geld dazu herkommen, und welche Auswirkungen wird dies auf die restliche Karlsruher Kulturlandschaft haben´

Jäger: Es ist sicher, dass die hohen Investitionen nicht aus dem allgemeinen Kulturetat herausgeschnitten werden können, sondern als Sonderaufwendungen der Stadt Karlsruhe geschultert werden müssen. Da bin ich mir auch mit dem Oberbürgermeister und der Finanzbürgermeisterin einig. Ich bin überzeugt, dass dies auch der Gemeinderat so sieht. Wenn man die Leuchttürme stärkt, kann man nicht die breite Landschaft zur Kofinanzierung als Steinbruch heranziehen. Was die Lohnsteigerungen angeht, müssen wir weiter versuchen, durch strukturelle Synergien Kosten aufzufangen. Das ist in der gesamten städtischen Verwaltung auch so. Beim Staatstheater wurde eine Organisationsuntersuchung in Auftrag gegeben, um durch strukturelle Verbesserungen, Gelder effizienter zum Einsatz zu bringen.

Unter dem Titel „Der Kulturinfarkt“ haben einige Kulturfunktionäre und -experten vor einigen Wochen mit provokanten Thesen zur Umverteilung der Fördergelder im Kulturbereich bundesweit für heiße Diskussionen gesorgt. Haben Sie ihre Thesen zur Kenntnis genommen´

Jäger: Ich habe sie zur Kenntnis genommen und sehr schnell wieder ad acta gelegt. Ich denke, mit diesen provokanten Thesen wurde der Kultur kein Gefallen getan, weil die Autoren vielfach missverstanden wurden. Unter dem Motto „die Hälfte der Theater und Museen dichtmachen“ haben die meisten gedacht, oh, da kann man ja eine Menge Geld für andere Dinge sparen.

Die Autoren wollen ja aber kein Geld der Kultur wegsparen, sondern eine Umverteilung zu Gunsten innovativer Projekte. Welche Spielräume hat der Karlsruher Kulturetat zur Unterstützung neuer Ideen, und wer entscheidet nach welchen Kriterien, was hier förderungswürdig ist´

Jäger: Wir haben eine Zweiteilung in der Förderung. Der weit überwiegende Anteil wird als institutionelle Förderung vom Gemeinderat den einzelnen Einrichtungen bewilligt. Daneben haben wir einen rund 820.000 Euro großen Kulturtopf zur freien Verteilung für Projekte. Dieser wird vom Kulturbüro des Kulturamtes in Einzelfallbeurteilung nach einem mit dem Kulturausschuss abgestimmten Kriterienkatalog vergeben. Der Topf scheint ausreichend bestückt, und es sind mir bisher keine Klagen über dessen Größe und Verteilungspraxis zu Ohren gekommen. Für innovative Kulturprojekte haben wir aber auch mit der Förderung der Kreativwirtschaft im Kreativpark eine neue Entwicklung auf die Beine gestellt. Wir möchten, dass die Absolventen der künstlerischen Hochschulen hier Fuß fassen und der Stadt mit ihrem innovativen Potential erhalten bleiben. Dem dienen auch unser mit 20.000 Euro dotiertes Kulturstipendium und die Vernetzung von Kultur, Wirtschaft, Technik und Kreativwirtschaft. Für das Neue sind wir nach allen Seiten offen.

Das kulturelle Grundrauschen, das Angebot, das täglich von einer Vielzahl von großen und kleinen Veranstaltern zur Verfügung steht, ist ein entscheidender Teil für die Lebensqualität einer Stadt - und davon hat Karlsruhe sehr viel zu bieten. Warum wirkt sich diese kulturelle Vielfalt so wenig auf das Image der Stadt Karlsruhe aus´

Jäger: Man sagt den Karlsruhern nach, dass sie nicht diejenigen sind, die sich mit großem Hallo nach draußen verkaufen. In der Tat hätte es diese Vielfalt manchmal mehr verdient, außen wahrgenommen zu werden. Einzelne sind bereits auf einem guten Weg - so fanden unsere letzten Europäischen Kulturtage große überregionale nationale und internationale Aufmerksamkeit. Die Ausstellungen des ZKM und der Kunsthalle werden immer überregional wahrgenommen. Zudem stärken wir die internationale Vernetzung. Das Kulturamt arbeitet hier sehr gut mit dem Stadtmarketing zusammen, um das Bild der Kulturstadt Karlsruhe überregional auf eine breitere Basis zu stellen. Dem dient auch unsere neu gestaltete Internetseite, in die sich sämtliche Veranstalter einbringen können, und die diese Vielfalt unkompliziert zugänglich macht. Doch dabei darf es nicht stehen bleiben. Jeder, der ein Kultur-Highlight in Karlsruhe erlebt hat, sollte als Botschafter auftreten. Ich jedenfalls bin stolz auf unsere Kulturstadt und kann dem nur beipflichten, dass man mit seinen Pfunden wuchern soll.