Der April kommt lesungsmäßig schnell auf Touren, dank dem KOHI am Werderplatz. Dort gibt es nämlich gleich an den ersten beiden Aprilabenden zwei hochinteressante Lesungen. Andrea Mohr ist zwar in Neustadt an der Weinstrasse aufgewachsen, wo sie heute wieder lebt, ist aber dazwischen weit in der Welt herumgekommen und hat dabei viel erlebt und überlebt. Selbst drogensüchtig ist sie nach einer Zwischenstation als Fotomodel und Stripperin in den Drogenhandel eingestiegen und hat im großen Stil für das kolumbianische Drogenkartell Kokain geschmuggelt. Zwischenzeitlich schwamm sie in Geld und wurde von Hollywoodstars hofiert, ehe sie aufflog und in Melbourne im Frauenknast landete für fünf lange Jahre. Das und noch viel mehr erzählt sie in ihrem Buch Pixie, das in englischer Sprache in Australien ein Bestseller wurde, mittlerweile gibt es auch eine deutsche Ausgabe. Am 1. stellt sie sich und ihr aufregendes, selbstzerstörerisches Leben im KOHI vor. Am Abend darauf (2.) kommt Frank Schulz in der Reihe Lesung Süd zu Wort. Mit der Hagener Trilogie hat er das moderne Opus Magnum der literarischen Hochkomik geschaffen, in seinem neuen Buch Onno Viets und der Irre vom Kie backt er etwas kleinere Brötchen und versucht sich das erste Mal am Krimi-Genre. Sein Held ist ein 53jähriger Hartz IV-Empfänger, der sich entschließt Privatdetektiv zu werden. Sein erster Fall hat es in sich
Seit seinen Anfängen in den 60er-Jahren gehört Friedrich Christian Delius zu den herausragenden Exponenten der deutschen Literaturszene, die ganz große Anerkennung ist ihm, der als Gesellschafts- und Kapitalismuskritiker auch immer wieder Widerspruch erregt hat, allerdings erst in den letzten Jahren zuteil geworden, mit dem Joseph Breitbach-Preis hat er den höchstdotierten deutschen Literaturpreis erhalten, mit dem Georg Büchner-Preis den renommiertesten. In seinem neuen Buch Als die Bücher noch geholfen haben lässt er seine erstaunliche literarische Karriere, die als jüngstes Mitglied der Gruppe 47 begann, Revue passieren, und zeichnet dabei auch noch Porträts von Zeitgenossen und Weggefährten wie Heiner Müller, Wolf Biermann, Günter Kunert und Thomas Brasch. Am 17. kommt er auf Einladung der Literarischen Gesellschaft und der Stephanus-Buchhandlung ins Literaturhaus im Prinz-Max-Palais, wo acht Tage später (25.) Marion Brasch, die Schwester des vor elf Jahren verstorbenen Thomas Brasch aus ihrem Buch Ab jetzt ist Ruhe liest, es ist die Geschichte ihrer eigenen jüdischen Familie, die aus dem Exil in England in den kleineren Teil Deutschlands zurückkehrte, um den Sozialismus aufzubauen. Der Vater Horst Brasch wurde stellvertretender Kulturminister, die drei Söhne, zwei wurden Schriftsteller, einer Schauspieler, gingen in Opposition zum Staat und damit auch zum eigenen Vater. Sie, das Nesthäkchen der Familie, schildert dies aus der Position der privilegierten Göre, die sie war, und der einer Überlebenden, der Schauspieler Klaus Brasch starb mit 30 Jahren an einem Cocktail aus Medikamenten und Alkohol, Peter Brasch, der als Schriftsteller im Schatten seines Bruders Thomas stand, starb mit 45 Jahren im selben Jahr wie er. Der selbstzerstörerische Zug, der ihre Brüder verband, war und ist ihrer Schwester fremd und so ist diese Geschichte einer unglücklichen Familie eine erstaunlich leichte Lektüre, zumal Marion Brasch keine literarischen Ambitionen umtreiben.
Der Rezitator Christoph Köhler setzt am 14. die Lesung aus Peter Handkes Notaten seiner Japanreise vom März 1988 fort. Ein Jahr nach der Katastrophe von Fukushima erscheinen Handkes Anmerkungen in neuem Licht, zumindest in den Augen des seelenverwandten Köhler. Zur Lesung im A & S Bücherland (Rintheimerstr.19) steuert Kirsten Christmann Flötentöne bei. Noch musikalischer geht es bei Haralds Hörstunde im marotte-Figurentheater am 5. (20.30 Uhr) zu. Unter dem Motto Briefe nach Noten hat Harald Schwiers ein Leseprogramm zu den Europäischen Kulturtagen zusammengestellt aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen von Komponisten und Musikern, die in Karlsruhe gewirkt und geweilt haben, z.B. Richard Wagner, Johannes Brahms, der Dirigent Hermann Levi. Und erinnert damit daran, dass Karlsruhe mal eine Hochburg der Musik war. Dazu macht das Duo Roman Rothen (Kontrabass) und Melanie Huber (Klarinette) anspielungsreiche Musik.
Am 18. wird auch die Hemingway Lounge (Uhlandst.26), wie es eigentlich ihrem Namen gebührt, zum Schauplatz einer Lesung. Die Ettlinger Buchhandlung Abraxas macht´s möglich. Mit Maria Barbal kommt (samt deutscher Übersetzerin) eine exponierte Vertreterin der katalanischen Literatur. In ihrem Buch Camfora, das schon vor 20 Jahren in Spanien erschienen ist und nun ins Deutsche übersetzt wurde, zeichnet sie die Atmosphäre in einem Dorf in den 60er-Jahren nach, in dem eine Familie unter der brutalen Willkür des Vaters fast zerbricht, nur die Frau seines Sohnes wagt es aus Liebe zu ihrem Kind gegen den Alten aufzumucken. Das ist natürlich mehr als eine einfache Familiengeschichte, damals, das darf man nicht vergessen, regierte ein gewisser Franco das Land.
Wibke Bruhns war die erste Frau, die die Heute-Nachrichten präsentiert hat, sie war Korrespondentin des Stern in Israel und USA, sie hat vieles hautnah miterlebt. In ihrem Buch Nachrichtenzeit lässt sie vieles davon Revue passieren, das Attentat auf Rudi Dutschke, den Terror der RAF, Brandts Aufstieg und Fall, der Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher. Am 20. liest sie auf Einladung von Die Buchhandlung Ettlingen im Domizil der Stadtwerke Ettlingen (Hertzstr.33).
An die Anfänge der DADA-Bewegung, die vor fast hundert Jahren in Zürich aus der Taufe gehoben wurde, erinnert eine Soiree im Rastatter Kellertheater (Herrenstraße 24) am 21. mit den letzten Rastatter DADA-Künstlern (´) Klaus Kastner und Dieter Michelbach sowie Gästen. Angekündigt sind literarische, musikalische und kuriose Aktionen. Lassen Sie sich überraschen.
Wenn nicht anders angegeben, ist Veranstaltungsbeginn 20 Uhr.