Zu Christian Wulff fällt mir nicht viel Positives ein. Ich habe ihn nicht gewählt, weder als Ministerpräsident (weil ich nun mal nicht in Niedersachsen lebe und wenn ich es täte, hät-te ich auch nicht für ihn gestimmt) noch als Bundespräsident, ein Schicksal, das ich mit allen Bundesbürgern teile. Der Bundespräsident wird nun mal nicht vom Volk, sondern von der Bundesversammlung gewählt, deren Zusammensetzung von den gerade herr-schenden politischen Machtverhältnissen bestimmt wird. Ein paar ausgewählte Bürger sol-len Volksnähe simulieren. Aber das ist Augenwischerei. Der Bundespräsident ist immer auch eine Spielfigur der Regierenden in Bund und Ländern und vor allem des Kanzlers bzw. der Kanzlerin. Und wer sich dessen nicht bewusst war, wurde spätestens bei der letz-ten Bundespräsidentenwahl darauf gestoßen, als Merkel ihren Kandidaten mit Ach und Krach und nach drei Wahlrunden durchsetzte. Seitdem haben wir ihn also unseren zahnlo-sen Wulff, der so nordisch-phlegmatisch dahersäuselt, dass einem nach wenigen Minuten bereits die Lider schwer werden. Nein, ein Bringer und Reißer ist er nicht der (nominell) erste Mann im Staate, aber man kann sich gut vorstellen, dass er zusammen mit seinem attraktiven, stets modisch gekleideten Gattin Bettina im Ausland eine ganz passable Figur macht, eine bessere jedenfalls als unser Außenminister. Im Innern ist er einmal durch den erklärungsbedürftigen Satz Der Islam gehört zu Deutschland aufgefallen und durch ei-nen überaus kühnen Auftritt, bei dem er den Papst mit leichten Bibber in der Stimme, um Barmherzigkeit für geschiedene Eheleute bat, womit er auch sich meinte. Ach Gottchen! Er, der Arme, ist und bleibt von der Heiligen Kommunion ausgeschlossen, und wer weiß, vielleicht begibt er sich deshalb so gern und so oft in die nicht ganz so heilige Gemeinschaft von reichen Freunden und Gönnern, die ihm ihre Wohnung zum Urlauben und gelegent-lich etwas Geld für die Publikation seiner Bücher, für standesgemäße Hotelübernachtung und für einen Hauskauf überlassen. Bekannt war das alles schon vorher und richtig über-raschend ist es auch nicht. Hat jemand allen Ernstes angenommen, dass Wulffs Freunde Habenichtse sind, dass er und seine Gattin ihren Urlaub in touristischen Bettenburgen zu-bringen und ihren Hauskauf zu handelsüblichen Zinsen abstottern, wenn ihnen doch ein Millionär bzw., dessen Gattin in aller Freundschaft das Geld zu besonders günstigen Kon-ditionen über den Tresen schiebt. Mal ehrlich, wie viele hätten in Wulffs Position die Kraft gehabt, zu solchen Verlockungen Nein zu sagen. Ich bringe es immer noch nicht fertig, mich darüber so richtig aufzuregen. Das Dumme für Wulff ist nur, dass er selbst die Muni-tion liefert, mit der abgeschossen, und die Maßstäbe, nach denen er gemessen wird. Sein letztes Buch trägt den Titel Besser die Wahrheit und im Jahr 2000 forderte er den Rück-tritt des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau wegen einer heute fast vergessenen Flugaffäre und fügte noch den Satz hinzu: Ich leide physisch darunter, dass wir keinen unbefangenen Bundespräsidenten haben. Das war natürlich Quatsch. Wenn der damalige Bundespräsident ein CDU-Parteibuch gehabt hätte, wäre seine Reaktion ganz anders aus-gefallen. Wer sich so moralisch aufplustert, hat sogar das Recht verwirkt, einen Wutbür-gerauftritt mit hochgehaltenem Schuhwerk (nach islamischen Muster) als das zu bezeich-nen, was er ist: Eine alberne Inszenierung für die Medien. So hat er das doch gar nicht ge-meint mit dem Islam, der zu Deutschland gehört, aber so schlicht und unterbelichtet diese Feststellung auch war, Wuff versuchte damit zu leisten, was die Aufgabe des Bundespräsi-denten ist, zu versöhnen statt zu spalten, das Vereinende über das Trennende zu stellen. Da ist notgedrungen für differenzierte Aussagen kein Platz. Es mutet fast tragisch an, dass Wulff mittlerweile kaum noch darüber entscheiden kann, welches Bild er als Bundespräsi-dent abgeben will. Die Medien, insbesondere Bild als verfolgende Unschuld, treiben ihn vor sich her, mit wohldosierten Enthüllungen aus seiner Vergangenheit und seinem heillo-sen Gequatsche auf einen AB, halten die Causa Wulff am Köcheln, wenn auch gelegentlich nur auf Sparflamme. So kann es sich Wulff nicht mehr aussuchen, ob er nun versöhnen und spalten will, er spaltet die Bevölkerung in solche, die wollen, dass er geht, und solche, die wollen, dass er bleibt, je nachdem ob man nun die diversen Vorteilsnahmen aus seinem früheren Leben als lässliche Sünden oder als Todsünden für einen Politiker ansieht. Für beide Sichtweisen gibt es Argumente, für ein Verbleiben von Wulff in seinem Amt fällt ei-nem bald aber nichts mehr ein - bis auf die Tatsache, dass ein Rücktritt Wulffs aus dem Amt den Steuerzahler teuer zu stehen kommen würde. Ein Ehrensold von über 16 000 Eu-ro im Monat, mit Büro, Sekretärin, Dienstwagen nebst Chauffeur auf Lebenszeit - und die kann beim jüngsten Altbundespräsidenten der deutschen Geschichte noch lange dauern. Das führt einem aber auch wiederum vor Augen, wie schamlos die führende politische Kas-te in Deutschland mittlerweile sich selbst bedient. Und wie wenig die, die dazu gehören, es nötig haben, sich einladen und andere für sich bezahlen zu lassen.