Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 10.2011
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Steffi Lackner

Krieg ist Geschäft

Sandkorn Theater

Steffi Lackner inszeniert „Mutter Courage“




Mit der interkulturellen Liebeskomödie „Macho Man“, den „Gespensterjägern“ (siehe Tagestipps) für das jüngste Publikum sowie dem Weihnachtskabarett ab Dezember hat das Sandkorn in diesem Herbst unterhaltsam-vergnügliche Neuproduktionen am Start, denen mit Bertolt Brechts kapitalismuskritischem Antikriegsklassiker „Mutter Courage“ ein trefflich in die Zeit passendes Drama gegenübersteht. Klappe Auf unterhielt sich mit Theaterleiterin Steffi Lackner, die die Geschichte der Mutter Courage, die versucht ihr Geschäft mit dem Krieg zu machen und dabei ihre drei Kinder verliert, inszeniert.


Als Regisseurin am Sandkorn Theater haben Sie sich in der vergangenen Zeit vor allem profiliert durch das integrative Theaterprojekt D!E SP!NNER!, die Zusammenarbeit mit dem Comedy-Kabarett rastetter & wacker und die Inszenierungen zeitgenössischer Stücke für Erwachsene und Jugendliche. Die modernen Klassiker haben Sie eher den Kollegen überlassen. Was hat Sie gerade an der „Mutter Courage“ gereizt, sie selbst in die Hand zu nehmen´

Steffi Lackner: Ausgangspunkt war die Schauspielerin Karin Arndt-Hauck, die ich sehr schätze. Nachdem sie in der jüngsten Vergangenheit einige kleinere Rollen am Sandkorn-Theater übernahm, wollte ich mit ihr einmal wieder in einer großen Rolle arbeiten. Die „Mutter Courage“ bietet sich hier wunderbar an. Wir haben sie von den konkreten Bezügen auf den Dreißigjährigen Krieg befreit. Bertolt Brecht hatte sie im Exil als Warnung an die skandinavischen Länder geschrieben, nicht aus dem Krieg Profit zu schlagen. Die Verbindung von Geschäft und Krieg erscheint aber heute mindestens so aktuell wie damals, denken Sie an die Kriege, die derzeit um der Rohstoffe willen geführt werden, die unseren Lebensstil sichern.

Die Illias in Stuttgart, die Hermannsschlacht im Badischen Staatstheater, Mutter Courage im Sandkorn-Theater. Warum hat der Krieg gerade jetzt Hochkonjunktur auf den Bühnen´

Lackner: Weil wir alle Angst haben. Wir haben uns hier sehr lange relativ sicher gefühlt und befinden uns nun in einer prekären Situation, in der wir nicht wissen, wohin uns die Entwicklung führt. Das reicht von der europäischen Finanzkrise bis zum Aufbruch in den arabischen Ländern. Auf der anderen Seite sind deutsche Soldaten seit zehn Jahren in Afghanistan, erst seit einem guten Jahr darf man das öffentlich überhaupt als Krieg bezeichnen. Deutschland ist Nummer Drei der Waffenexporteure. Wir haben uns lange nicht darum geschert, wie die Ressourcen verteilt werden. Wenn einem das alles zu Bewusstsein kommt, muss man Angst haben. Anders als in den Nachrichten kommen einem im Theater die Menschen und ihre Konflikte menschlich sehr nahe, das macht die „Mutter Courage“ in ihrer Zerrissenheit zwischen dem Geschäft und der Menschlichkeit sehr gegenwärtig und aktuell.

Laut Statistik des Bühnenvereins hat der Besuch im Kinder- und Jugendtheater im vergangenen Jahr bundesweit zugenommen. Mit welchen Gefühlen betrachten Sie da die Konkurrenz durch die Gründung einer Jugendsparte am Staatstheater´

Lackner: Bei uns ist der Besuch in diesem Bereich konstant geblieben. Durch den immens gestiegenen Stellenwert kultureller Bildung ist aber ein solcher Schritt für ein Staatstheater unverzichtbar. Ich hoffe, dass dadurch die Wichtigkeit des Kinder- und Jugendtheaters allgemein mehr ins Bewusstsein rückt, dass die verstärkende Wirkung größer ist als die Konkurrenz untereinander und am Ende alle profitieren. Wir haben das neue Leitungsteam des Staatstheaters in guter Atmosphäre als sehr angenehm kennen gelernt.

Am 1. Dezember hat das traditionelle Kabarett Premiere, was sind die Themen in diesem Jahr´

Lackner: Wir haben uns entschlossen, es in diesem Jahr wieder als Weihnachtskabarett anzukündigen, aber natürlich gibt es eine bunte Fülle von Themen aus dem Lokalen und der großen Politik. Das Programm entsteht gerade erst, und es ist das Tolle an dieser Produktion, dass sie sich im Team entwickelt. Von daher kann ich im Moment nicht viel mehr dazu sagen, als dass sich mit Angelika Veith, Julian König und Soraya Mezher ein sehr kontrastreiches Trio zusammen mit der Pianistin Tamouna Gomarteli viel versprechend um den als Regisseur fungierenden Siegfried Kreiner geschart hat.