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Archiv: 09.2011
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Warum ich nicht bei Facebook bin

Bild - Warum ich nicht bei Facebook bin
Ich bin nicht bei Facebook. Ich verzichte gerne darauf, wahnsinnig viele Freunde zu haben, die ich nicht kenne, und die ich, wenn ich sie kennen lernen würde, wahrscheinlich gar nicht zum Freund haben wollte. Auch habe ich kein digitalisiertes Verhältnis zu meiner Um- und Mitwelt, das sich auf die beiden schlichten Aussagen „Gefällt mir“ und „Gefällt mir nicht“ reduzieren lässt.

Ich habe auch keine Lust meine kostbare Zeit in einem virtuellen Zwischenreich zuzubringen, in dem sich neben unglaublich vielen Leuten, die mit dem richtigen Leben nicht klar kommen, auch noch Scheinidentitäten verbergen. Pseudo und Psycho – wie nah liegt das bei den so genannten sozialen Netzwerken, die bei Lichte betrachtet im Grunde riesige Schleppnetze sind, um eine möglichst große Datenmenge zu fischen und gewinnbringend an interessierte Firmen zu verscherbeln.

Mir persönlich gehen die privaten Mitteilungen über die Lebensgewohnheiten, Geburtstage, Reiseziele, Lieblingsessen meiner Mitmenschen zehn Meter am Arsch vorbei, auch muss ich nicht ständig über die diversen Events und Eventle im näheren und weiteren Umkreis informiert werden, ich kann schon so nur einen Bruchteil des kulturellen Angebots wahrnehmen. Auf Facebook wird selbst die kleinste Dorffete zum Riesen-Event aufgeblasen, an dem man natürlich unbedingt teilnehmen muss. Woher ich das alles weiß, wenn ich gar nicht bei Facebook bin´ Das ist ganz einfach, ab und an gelingt es mir einen Blick auf die Facebook-Korrespondenz meines halbwüchsigen Kindes zu werfen und was ich da zu sehen bekomme, reicht mir vollkommen, um zu sagen, das brauche ich nicht, das braucht niemand in Mitteleuropa.

Wenn anderswo mittels Facebook Rebellionen gegen verknöcherte Regimes angezettelt werden, dann ist das schön und gut, aber es hat nicht mit unserer Lebenswirklichkeit zu tun. In den materiell gesättigten, demokratischen Gesellschaften unserer Hemisphäre ist Facebook ein Medium zum Austausch von Nichtigkeiten mit nahen und entfernten Bekannten, mit Bekannten dieser Bekannten, und mit Unbekannten, die man zu kennen glaubt, weil sie ihr „Profil“ ins Netz gestellt haben, dessen Übereinstimmung mit der Wirklichkeit man in der Regel nicht überprüfen kann. So ist es klar, dass man auf solchen Plattformen vor allem zwei Sorten Menschen antrifft, die, die gar nichts zu verbergen haben und auch nicht verbergen wollen, man könnte sie als informationelle Exhibitionisten bezeichnen, und die, die einiges verbergen zu haben, auch wenn es nur ihre eigene Mickrigkeit ist, und sich deshalb im Netz mit einer Art virtuellen Tarnkappe tummeln. Wenn Erwachsene sich auf diesen Blödsinn einlassen, dann ist das ihre Sache, wenn Kinder und Jugendliche sich von diesen Netzen einfangen lassen, dann hat das eine andere Qualität. Facebook und Artverwandtes ziehen Teenager hinein in eine Informationsflut, der sie nicht gewachsen sind, die sozialen Plattformen suggerieren die Teilhabe an der Welt vom Schreibtischstuhl aus und verhindern damit zugleich echte Kommunikation mit realen Menschen. Durch das Dauerfeuer an Mitteilungen und Informationen erzeugen sie zudem Dauerfrust, indem sie ständig das Gefühl vermitteln, das immer und irgendwo die Post abgeht und man selbst ist nicht dabei.

Facebook macht viele süchtig und auf die Dauer unglücklich, wie alles was süchtig macht. Da muss man gar nicht den Teufel in Gestalt des Pädophilen, der sich mit falschen Profil an jungen Menschen heranmacht, an die Wand malen, oder auf dem Phänomen des Cyber-Mobbings herumreiten. (Obwohl es für beides abschreckende Beispiele genug gibt.) Die wahren Gewinner des Social Media-Hype sind die Marketing-Strategen und Werbetreibenden. Sie machen dabei den Reibach, für die meisten User sind die Stunden, die sie in den asozialen Netzwerken verbringen, (zumindest) nicht mehr als verlorene, vertane Zeit. Mittlerweile gibt es eine ganze Menge Broschüren und Tipps im Internet zum Umgang mit Facebook und Co., die aber im Grunde nur darüber hinwegtäuschen, dass der einzige richtige Gebrauch der Nichtgebrauch ist. Facebook (Twitter, Schüler-VZ, Studi-VZ usw.), nein danke!