Wenn sich der Schriftsteller Peter Handke dem Theater widmet, führt er es an seine Grenzen. Das war schon in den 60er Jahren so, als er mit Sprechstücken wie der Publikumsbeschimpfung den Graben zwischen Bühne und Zuschauerraum aggressiv nivellierte. An die Grenzen der Spielbarkeit ging auch das 1986 entstandene Spiel vom Fragen, das keine nacherzählbare Handlung hat, vielmehr Fragen über Fragen, Litaneien, Lamenti und Kauzigkeiten aufeinander häuft. Michael Simon hatte das nach der Uraufführung zwei Jahrzehnte fast verschwundene Stück am Badischen Staatstheater 2008 in einer großartigen Inszenierung auf die Bühne gebracht. Thomas Krupa, neben Simon einer der eindrucksvollen Regisseure der endenden Karlsruher Ära des Schauspieldirektors Knut Weber, nimmt sich zum Abschluss Handkes 1992 entstandenen Stücks Die Stunde da wir nichts voneinander wussten an, das man als Fortschreibung des Spiels vom Fragen ansehen kann. Ich möchte lieber ahnen statt wissen. Sprache ist ja in aller Regel zerstörerisch. Wenn sie nicht den richtigen Augenblick findet, zerstört sie das Ungesagte, sagt Peter Handke, der nunmehr ganz auf Text verzichtet. Die Stunde spielt auf einem Platz in einer nicht weiter benannten Stadt mit den Menschen, die ihn überqueren und bewohnen: Frauen, Männer, Normale, Verrückte, in Gruppen, alleine. Sie gehen aneinander vorbei, begegnen sich, lösen sich wieder voneinander. Das Allgemeine wird zum Besonderen, der Alltag zur Vielfalt. Jenseits der Worte erhalten die Dinge, die Menschen und das Alltägliche wieder ihren Wert, entsteht Poesie. Das Zuschauen ermöglicht dem Betrachter jenes mystische Erlebnis, das nach Handke das Stärkste sei, was ein Mensch erfahren kann.
> Premiere Fr., 10., Badisches Staatstheater, Karlsruhe, Baumeisterstraße 11, 20 Uhr, (auch am 12., 19., 25., 26.6.)