Gerade noch war die Freude groß, hatte die Stadt Karlsruhe doch just eine Untersuchung über die Nutzung kultureller Einrichtungen und Angebote in Karlsruhe veröffentlicht, die einerseits die hohe Zufriedenheit der Karlsruher mit ihrem Kulturangebot, anderseits aber auch die starke Ausstrahlungskraft in die Region belegt. Schon folgen die Hiobsbotschaften, mit denen die Karlsruher Tagespresse aufmacht: Karlsruhe setzt beim Theater den Rotstift an und Künftig ohne Schauspiel´ ist zu lesen. Finanzlücken in der Höhe von rund 290 Millionen auf drei Jahre erwartet die Stadtkämmerei, ein riesiger Fehlbetrag, den zu decken mit halbherzigen Sparbeschlüssen wohl kaum beizukommen sein wird. So bat die Stadtverwaltung mit einem Sparkatalog in der Hand den Gemeinderat um Sparempfehlung für den ab dem kommenden Herbst zur Debatte stehenden städtischen Doppelhaushalt. Quer durch alle Bereiche sollte allenthalben in der Höhe von rund zehn Prozent eingespart werden, doch dann kam es im Gemeinderat anders als gedacht.
Der Sport, der seit jeher in der Politik eine gute Lobby hat, blieb komplett verschont, und im Bereich des Sozialen bremsten sich die Sparwilligen gegenseitig derart aus, dass am Ende alles beim Alten blieb. So ist es der Kultur vorbehalten, nun ihr Opfer zu bringen, abgemildert zunächst auf maximal fünf Prozent. Erstmals mittenmang beim Streichkonzert sind nun auch das Badische Staatstheater sowie das ZKM, die beide zuvor stets als Heilige Kühe von städtischen Sparbeschlüssen ausgenommen worden waren. Zum einen, weil jede Kürzung eine ebenso hohe Kürzung der äquivalenten Landesmittel bedeutet, zum anderen, weil die beiden Einrichtungen als so genannte Leuchttürme gelten, deren Bedeutung man nicht schmälern wollte.
Ich hoffe, dass es sich dabei um keinen Umdenkungsprozess handelt, sondern ich denke, dass es eben der extremen Haushaltsschieflage geschuldet ist, sagt der Karlsruher Kulturbürgermeister Wolfram Jäger. Er hofft auf eine Besserung der Wirtschaftslage, damit die Sparempfehlungen am Besten wieder ganz vergessen werden können: Es gab aber schon seit längerem immer wieder Stimmen, die nicht verstanden, warum man einem privaten Theater Einsparungen zumutet, das Staatstheater aber davon ausnimmt. Erstmals fand diese Meinung in diesem Sommer eine Gemeinderatsmehrheit und entsprechend stark ist das Aufheulen der beiden großen Kulturtanker.
Während ZKM-Leiter Peter Weibel, der zudem vom drohenden Ausfall des klammen Hauptsponsors LBBW-Bank gebeutelt ist, vorrechnet, dass durch die fehlenden Finanzmittel etwa ein Viertel der ZKM-Aktivität auf Eis gelegt würden, spricht Staatstheater-Intendant Achim Thorwald von der drohenden Schließung einer Sparte, des Balletts oder gar des Schauspiels. Beim Staatstheater seien 85 Prozent der Mittel in festen Personalkosten sowie dem Unterhalt des Hauses gebunden. Nur 15 Prozent des Etats seien für die künstlerische Arbeit frei.
Jäger, der auch im Verwaltungsrat des Staatstheaters sitzt, bestätigt diese unheildräuenden Rechenspiele: Ich kann in beiden Fällen nur unterstreichen, dass das richtig ist. Dennoch fürchtet er nicht wirklich, dass die Karlsruher demnächst kein Schauspiel mehr geboten bekommen, auch wenn er diskutierten Einsparpotentialen der Häuser skeptisch gegenüber steht: An Werkstätten des Theaters wurde bereits in den vergangenen Jahren viel eingespart, manche Bühnenbilder werden mehrfach eingesetzt, und die Eintrittspreise sind keine wirkliche Stellschraube. Man müsste sie schon vervierfachen, um deutliche Effekte zu erzielen. Seiner Einschätzung nach könnten Einsparungen gewisse Festivals kosten und die verstärkte Einwerbung von Sponsoren und Drittmittel erforderlich machen: Der künftige Generalintendant Georg Spuhler hat dies ja in Heidelberg für den Neubau seines Theaters überaus erfolgreich praktiziert. Es sei freilich kein schöner Zug, einen neuen Intendanten erst einmal mit Kürzungen zu begrüßen. Ob ihm dann die Mittel blieben, wie geplant und ausdrücklich gewünscht eine Kinder- und Jugendtheatersparte aufzubauen, sei fraglich.
Mehr als 1,3 Millionen Euro sollen pro Jahr bei den beiden Institutionen gekürzt werden. Was in der gegenwärtigen Diskussion allerdings komplett vergessen wird, ist die Tatsache, dass nicht nur bei ZKM und Staatstheater eingespart werden soll, sondern dass die Kürzungen im nahezu ebenso hohen prozentualen Anteil bei allen anderen Kulturanbietern durchschlagen sollen. Zusammengenommen haben Kammertheater, Tollhaus, Sandkorn, Substage, Kunstverein und Co. an der kulturellen Versorgung und Bildung für Karlsruhe und die Region mindestens ebenso hohen Anteil wie die beiden von Stadt und Land gemeinsam betriebenen Aushängeschilder. Viele von ihnen erhielten in der oben genannten Umfrage in der Beurteilung durch die Bevölkerung traumhafte Bestnoten. Anders als die Großen sind sie drohende Einsparungen aus der Vergangenheit gewohnt, ob es sie schlimmer, oder weniger schlimm als die Großen trifft, ist eine Frage der Perspektive. Indes, viele der Probleme tragen sie gemeinsam mit den Großen. Bei einer ganzen Reihe von Einrichtungen wie dem Jazzclub oder der Kinemathek geht eine kommunale Kürzung mit der Streichung von Komplementärmitteln durch das Land einher. Auch bei ihnen sind große Teile ihres Etats fest gebunden, so reicht etwa das Kammertheater einen Großteil seines Zuschusses an den Vermieter weiter. Für Kinemathek, Tollhaus und Substage, die gerade neue Spielstätten beziehen oder bereits in Betrieb genommen haben, kann der erhoffte Schwung nun durch einen kräftigen Bremsklotz genommen werden.
Fast allen wurde durch die nicht lange zurück liegende Evaluation bestätigt, dass sie überaus wirtschaftlich operieren und aus jedem städtischen Euro ein Vielfaches für die Kulturlandschaft zaubern. Dass gerade bei freien und privaten Einrichtungen das Wirtschaften auf besonders schmalem Grat passiert, weiß auch der Kulturbürgermeister, und er fürchtet um die eine oder andere Institution. Zum Kultursterben will er es aber keinesfalls kommen lassen: Wenn es zu knapp wird, müssen wir Hilfestellung leisten, denn, wenn eine kulturelle Einrichtung einmal ihren Betrieb eingestellt hat, sie wieder zu Leben zu erwecken ist schier ein Ding der Unmöglichkeit. Beim Sport mussten wir über die Jahre auch immer wieder Korsettstangen einziehen, um etwa dem KSC das Überleben zu sichern. -jf