Im November ist im Gemäuer der früheren Seldeneckschen Brauerei in Mühlburg alles auf Tanz eingestellt. Hatte der Gemeinderat im Frühjahr die Erweiterung des etablierten Tanzfestivals mit einer Zuschusserhöhung eingesät, so können sich die TanzfreundInnen im Herbst im Kulturzentrum Tempel über reiche Ernte freuen. Deutlich ist das Bemühen der Festivalmacher, die mit der Tanztribüne eine kompetente Institution im Boot haben, zum einen die Tanzszene des deutschen Südwesten in Vernetzung zu bringen, zum andern aber auch mit Gruppen unter anderem aus dem Iran, den USA oder Spanien mit Farbtupfern über den Tellerrand zu blicken. Dass das Spektrum dabei von experimentellem Tanz über zeitgenössisches Tanztheater zu welttänzerischen Programmpunkten wie Flamenco oder persischem Tanz bis hin zu den akrobatischen Aspekten des Street Dance reicht, macht die neunte Auflage des sich über drei ausgedehnte Wochenenden erstreckenden Tanzfestivals zu einem äußerst abwechslungsreichen Vergnügen.
Zeitgenössisches Flamenco-Tanztheater aus Madrid präsentiert am 11.11. zum Auftakt Chanta la Mui, eine Truppe mit den drei mehrfach preisgekrönten Olga Pericet, Daniel Doña und Marco Flores, deren Spiel von Leidenschaft, Gefahr und Enttäuschungen handelt. Aus New York reist am 20. die 2002 gegründete Johannes Wieland Company an, die sich in ihrem Stück Newyou multimedial mit der Lüge und dem Glück auseinandersetzt. Wieland, ein Schüler John Neumeiers, ehemaliger Solist des Béjart Ballet Lausanne und der Berliner Staatsoper, setzt sich in den USA mit neuen Entwicklungen im Tanz und in der Performance-Art auseinander und ist mittlerweile Ballettchef am Kasseler Staatstheater. Keine so weite Anreise hat der Tänzer und Choreograph Olaf Schmidt, der seit seinem Abschied von Karlsruhe als Ballettchef am Badischen Staatstheater mit dem Internationalen Tanzfestival im Tempel verbunden blieb und mit der Compagnie des Theaters Regensburg am 21. sein Tanzstück nach Motiven des Romans Hundert Jahre Einsamkeit von Gabriel García Marquez zeigt. Aus Teheran stammt Banafsheh Sayyad, die Flamenco in Spanien und modernen Tanz in Los Angeles studiert hatte, ehe sie 1994 in San Francisco eine eigene Tanztheatertruppe gründete, mit der sie zahlreiche Preise auf internationalen Festivals gewann. In Karlsruhe zeigt sie ihren orientalischen Tanz mit Elementen des modernen westlichen Tanztheaters vermischende Tanzkunst am 26. und 27. als Solistin, wobei sie sich musikalisch vom Ensemble Zarbang begleiten lässt. Der in Karlsruhe lebende Weltklasseperkussionist Hakim Ludin verstärkt bei diesem Auftritt die Formation.
Mittlerweile ein Klassiker des Tanzfestivals ist die Lange Nacht der kurzen Stücke, in der sich die regionale Tanzszene mit zehn- bis 15-minütigen Appetitanregern vorstellt. Aufgrund der großen Nachfrage nach diesem bunten Strauß wurden in diesem Jahr zwei Termine (13. und 14.) angesetzt. Abends darauf am 15. - auch das hat bereits Tradition - stellen sich die Preisträger des in Stuttgart ausgetragenen Internationalen Solo-Tanz-Theater Festivals 2009 vor. Mit dem Stuttgarter Theaterpreis ausgezeichnet wurde
Nicki Lisztas Tanzstück »zwischen häuten«, eine Art getanzter Reality Soap über das öffentliche Zusammenleben von drei Frauen, die am 28. in der Scenario Halle zu erleben ist.
Besonders jung gibt sich das Internationale Tanzfestival am 22., wenn mit Move the Music (16 und 19 Uhr) ein Tanz- und Musikprojekt für und von Jugendlichen zu sehen ist, und beim fulminanten Abschluss am 29., wenn der unglaublich gelenkige Street Dancer Poppin-Hood und sein Kollege Marco Marçal Voodoo Vibes versprühen und mit den virtuos gehandhabten Mitteln urbaner Tanzkunst ein magisch-witziges HipHop-Tanztheater auf die Bühne stellen.