Hier proben Bands, hier malen Kinder oder spielen Schach, hier haben Künstler verschiedenster Sparten ihre Ateliers, klassische Musik hat an diesem Ort einen unkonventionellen Rahmen und eine maßgebliche Kreativstätte für die regionale Tanzszene ihre Adresse. "Das Kulturzentrum Tempel bietet schon lange einen echten Kreativpark, um den derzeit gängigen Begriff zu gebrauchen", sagt Martin Holder, Geschäftsführer des Kulturzentrums Tempel, das in diesem Jahr auf ein viertel Jahrhundert Soziokultur in den denkmalgeschützten Räumen der früheren Seledeneckschen Brauerei zurückblickt.
Mitte der 80er Jahre hatte eine Handvoll Musiker entdeckt, dass sich die uralten Kellerräume wunderbar zum Proben eigneten. Schalldicht wie eine Katakombe fanden die ersten "Templer" eine Heimstatt und gründeten 1984 den Tempel e.V.. Wesentlich beteiligt war damals der Architekt Willi Schönauer, der für sein unscharf zwischen Kommerz und Kultur angesiedeltes Konzept in der Kulturszene und bei der Politik kritischst beäugt wurde. Er gab die Marschroute vor, die einerseits mit viel ehrenamtlichem Einsatz die heruntergekommene historische Bausubstanz retten sollte, andererseits Kreativräume für Kulturschaffende erobern, aber auch Arbeitsmöglichkeiten für wirtschaftlich orientierte Unternehmungen bereitstellen sollte, damit letztere die Mieten für die Kulturschaffenden durch Subventionierung niedrig halten. Heute gelten derlei Visionen und die Verbindung von Kultur und Kreativwirtschaft als der Zauberschlüssel, wenn es etwa um die Konversion des Alten Schlachthofs am anderen Ende der Stadt geht. Schönauer freilich scheiterte grandios und musste sich aus dem Tempel zurückziehen, nachdem er den Verein hoffnungslos überschuldet hatte. Doch mittlerweile hatte die Karlsruher Politik eingesehen, dass man das Projekt nicht mehr ohne Schaden für die Stadt zu Grunde gehen lassen konnte und half mit kommunalen Mitteln dem ambitionierten Vorhaben vorübergehend aus der Tinte. Mit dem Geschäftsführer Martin Holder kehrte vor rund zehn Jahren dann auch eine gewisse Professionalisierung in das nach wie vor immer noch stark durch ehrenamtliches Engagement getragene Kulturprojekt ein, das einerseits als Vermieter für zahlreiche Künstler und Initiativen, andererseits aber auch als gewichtiger eigener Veranstalter auftritt, der mit der mit viel Liebe hergerichteten Scenario-Halle über eine der charmantesten Locations der Stadt verfügt.
"Kulturarbeit ist immer auch eine Gratwanderung", erklärt Martin Holder, der für Veranstaltungen nur über ein minimales Budget verfügt, man müsse Nischen suchen, die andere nicht abdecken. Dass dies funktioniert, dafür ist das Internationale Tanzfestival der Beweis, das ab diesem Jahr nicht zuletzt der großen Nachfrage wegen zum "Tanzherbst" erweitert wird. "Wesentliches Alleinstellungsmerkmal ist der Tanz", so der Geschäftsführer, und das kommt nicht von Ungefähr, ist doch die Tanztribüne unter der Leitung von Hans Traut und Margret Wolf seit vielen Jahren im Tempel beheimatet. Sie erzielen nicht nur mit alljährlichen Tanztheaterproduktionen hohe Aufmerksamkeit, vielmehr finden Tanzbegeisterte hier vom Ballett über Modern bis zum Tango alles, was das Herz begehrt. Besonders beliebt sind die Milongas am Mittwochabend, wenn in dem alten Gemäuer der Scenariohalle die Tangoklänge für eine geradezu authentische argentinische Atmosphäre sorgen. Aus Heidelberg, Baden-Baden, der Pfalz oder dem nahen Elsass reisen dann die Tanzbegeisterten an.
Dass freilich auch in der Kulturarbeit nicht immer alles eitel Sonnenschein sein kann und viele Erfolge und erstrebenswerte Arbeitsbedingungen erst in jahrelangem zähem Ringen erkämpft werden müssen, auch dafür ist das Kulturzentrum Tempel ein eindrucksvolles Beispiel. Lange Zeit war manchen Anwohnern das Treiben hinter den Sandsteinmauern suspekt, manche - auch politische Vertreter - hätten hier lieber ein properes Stadtteilzentrum für die Mühlburger Vereine gesehen oder verfolgten andere Absichten, auch intern gab es unter den Tempelnutzern manchen Strauß auszufechten und mit dem einen oder anderen Mieter gab es ernsthaft Streit. Doch die vermutlich herbste Niederlage musste der Kulturverein verkraften, als der gemäß städtischer Auflagen nur für kulturelle Zwecke nutzbare Bau 2 des Industriegeländes, in dem unter anderem der Musentempel untergebracht ist, von den bisherigen Eigentümern vor zwei Jahren an einen Privatmann verkauft wurde, obwohl der Karlsruher Gemeinderat Geld zum Ankauf des Gebäudes bereitgestellt hatte. tz/jf
> Tempel. Hardtstr. 37a, Ka