Karlsruhe ist eine schöne Stadt mit sehr vielen Vorzügen. Das ist mehr als meine subjektive Meinung, das ist statistisch belegbar. Im Vergleich zu anderen Städten dieser Größe wächst Karlsruhe noch, übt also eine unverminderte Anziehungskraft auf das Umland aus. Was aber gar nicht zu wachsen scheint, ist die Zahl der Verbrechen in unserer Stadt. Das ist einerseits gut, andererseits bedauerlich, denn kaum etwas übertrifft den Aufmerksamkeitsgrad eines Gewaltverbrechens, einer Geiselnahme, eines Mordes. Eine spektakuläre Gewalttat ist das sicherste Mittel eine Bild-Schlagzeile zu bekommen oder in den Boulevardmagazinen des öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehens zu erscheinen. Das hat zugegebenermaßen ein Gschmäckle, ein blutiges sogar.
Aber wie sagt der gewiefte Marketing-Mensch, besser negative Werbung als gar keine. Das Problem ist nur: Die Karlsruher wollen sich nicht gegenseitig umbringen, ums Verrecken nicht. Und so krebsen wir halt am unteren Ende der Verbrechensstatistik herum, unscheinbar, unbeachtet, und müssen uns weiter mit dem Langweiler-Image der Hauptstadt des Rechts begnügen. Aber es gibt eine Abhilfe, das heißt es könnte eine geben, die mediale und seriale Inszenierung des Verbrechens, die am besten noch ganz unmittelbar mit dem Namen der Stadt verknüpft ist.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Es gibt keine realen Opfer, die hiesige Polizei kann weiter ungestört ihren verantwortungsvollen Aufgaben nachgehen, Knöllchen verteilen, Ruhestörer ermahnen, Ladendiebe dingfest machen ... und das Publikum weiß immer genau, wann das Verbrechen stattfindet und praktischerweise auch gleich aufgeklärt wird, sagen wir am Sonntag, um 20.15 Uhr, oder werktags um 18 Uhr. Das ist eine ist der Sendeplätze des ARD-Tatorts, am anderen Sendeplatz ermitteln die ZDF-Sonderkommissionen kurz SOKO genannt. Es gibt bekanntermaßen einen Tatort Ludwigshafen und einen Tatort Stuttgart, irgendwo dazwischen liegt Karlsruhe, das immer wieder ungenannt als Location herhalten muss, da tummelt sich Lena Odenthal in Gestalt von Ulrike Folkerts mit Kollegen öfters im Karlsruher Hafen, weil der nun mal fotogener ist als der Ludwigs-Hafen, und die neuen Stuttgarter Tatort-Kommissare nehmen ihre Ermittlungen regelmäßig von unserem Polizeirevier West auf, weil das in der Moltkestrasse in einem imposanten Kasernengebäude aus der Kaiserzeit untergebracht ist, wie es Stuttgart weit und breit nicht zu bieten hat.
Eigentlich gibt es Gründe über Gründe der Stadt Karlsruhe endlich auch eine Krimiserie zuzubilligen, die ihren Namen im Titel trägt. Aber was passiert´ Im November startet eine neue SOKO-Reihe und die heißt SOKO Stuttgart. Damit hat sich unsere geliebte Landeshauptstadt als Hauptstadt des Verbrechens etabliert und die kaum hundert Kilometer davon entfernte ehemalige badische Residenz guckt in die Röhre und darf wahrscheinlich wieder als anonym bleibendes Kulissen-Ersatzteillager herhalten. Aller guten Dinge sind sieben verkünden die SOKO-Macher quietschvergnügt, was schlicht und einfach bedeutet, dass es nach München, Leipzig, Köln, Kitzbühel (!), Wismar (!!), Wien und Stuttgart keine weitere SOKO und schon gar keine SOKO Karlsruhe geben wird. Die telegene Omnipräsenz von Stuttgart macht aus dem Rest des Landes verbrannte Erde und die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart sieht dabei nicht nur zu, sie leistet auch noch Unterstützung. So gesehen ist die einzige Chance von Karlsruhe verbrechensmäßig auf sich aufmerksam zu machen, eine verstärkte Präsenz in den wunderbar gespielten, künstlerlisch wertvollen Einspielern von Aktenzeichen XY.
Also liebe Karlsruher überwindet euer Phlegma, werft die Bedenken über den Haufen und mordet mal schön. Jede(r) kennt doch eine Person, einen Nachbarn, einen Chef, eine(n) Ex, die man lieber tot als lebendig sehen würde. Fassen Sie sich ein Herz, unserer Stadt zuliebe. An potentiellen Opfern herrscht siehe oben kein Mangel.