Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 04.2009
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

E-Book Humbug

Bild - E-Book Humbug
Für ein bisschen Medienwirbel zwischen den Katastrophen von Köln und Winnenden sorgte auf der Leipziger Buchmesse die Vorstellung von mehreren neuen Varianten des so genannten E-Books, das in Zukunft das herkömmliche Buch ablösen soll.
Es klingt ja auch zu verlockend: Auf ein leichtes und leicht hand bares Gerät mit flimmerfreiem Bildschirm kann man sich die gewünschte Lektüre ziehen und, wenn man den einen Text durchgelesen hat, kann der nächste kommen, ein Buch der Bücher gewissermaßen. Kein Bücherschleppen mehr, keine übervollen Regale, keine Umzüge mit tonnenschweren Bücherkisten, das E-Book ist ein Geschenk des Himmels bzw. der High Tech-Industrie für den Bücherfreund.
Dumm nur für alle, die damit ordentlich Geld verdienen wollen, dass das E-Book sich nicht durchsetzen wird, dass es eine kleine technische Spielerei für die bleiben wird, die sich jeden neuen technischen Schnickschnack zulegen, der gerade auf den Markt kommt, für manische Computermessen-Gänger, die jeden Scheiß mitmachen.
Wahrlich ich sage euch: Das Buch ist nicht totzukriegen oder um mit Robert Gernhardt zu reden: „Ums Buch ist mir nicht bange“. So hat der große deutsche Dichter ein kleines Gedicht überschrieben, das schon als Reaktion auf die sich damals anbahnende Entwicklung des E-Books zu verstehen ist:
„Das Buch hält sich schon lange./Man kann es bei sich tragen/ und überall aufschlagen./Sofort und ohne Warten,/ kann man das Leben starten./Im Sitzen, Stehen, Knien,/ganz ohne Batterien“.
Es geht noch weiter mit der Lobpreisung des alten Mediums Buch bis hin zur Schlusszeile „Das Buch wird nicht veralten“, wobei Gernhardt, der sich und uns leider keinen Reim mehr machen kann auf den neuesten E-Book-Wahn, weitere unübersehbare Vorteile des gedruckten Buches erst gar nicht erwähnt. Man kann es in der Badewanne lesen (Probieren Sie das mal mit ihrem E-Book! Oder lieber nicht.), man kann es auch als Unterlage für einen wackeligen Stuhl oder Tisch benutzen (Das geht natürlich auch mit dem E-Book. Aber zu welchem Preis!).....
Aber das sind nur Nebenaspekte des Themas, das Hauptargument für das Buch ist seine Dinglichkeit, im Buch hat das geschriebene Wort greifbare Gestalt angenommen. Was sich ein anderer Kopf erdacht, kann man in die Hand nehmen, fremdes geistiges Eigentum getrost nach Hause oder sonst wohin tragen. In dem einem Buch, das ich gerade gekauft habe, auch wenn der Roman in hunderttausendfacher Auflage erschienen ist, scheint mich der Schriftsteller persönlich anzusprechen und bald trägt das Buch die Spuren meines Gebrauchs, in Form von Eselsohren, Fingerabdrücken, Anstreichungen und Anmerkungen.
Das Buch hält es aus, wenn man darüber und darauf einschläft, wenn es mal zu Boden fällt oder es ein paar Regentropfen abbekommt. Wem es weniger auf das Äußere des Buches (wie dem Bibliophilen) ankommt, der kann mit einem Buch fast alles anstellen, sogar eine lästige Fliege damit abklatschen. Sein eigentlicher Inhalt bleibt davon unberührt. Und da mögen die E-Book-Macher noch so findig sein, dass elektronische Buch wird im Vergleich dazu ein störungs- und verletzungsanfälliges Ding bleiben, das man am Besten wie ein rohes Ei behandelt.
Ein Kolumnist hat schon vor mir bemerkt, dass das E-Book der zwischenmenschlichen Kommunikation, vor allem der zwischen den Geschlechtern, nicht gerade förderlich ist. Wie gut lässt sich ein Gesprächsfaden knüpfen an das Buch, das das Gegenüber, am besten natürlich aus männlicher Sicht, eine schöne junge Frau, gerade liest. Wenn dieser/diese hingegen in ein E-Book starrt, bleibt die Lektüre für Außenstehende und – sitzende ein Buch mit sieben Siegeln, hinter denen spezielle Fachliteratur, aber auch die dümmste Banalität stecken kann.
Ich wette mal, dass die Käufer der E-Books, die gerade auf den Markt kommen, in wenigen Jahren die Erfahrung machen werden, dass ihre Geräte schon wieder hoffnungslos veraltet und mit der aktuellen Software nicht mehr kompatibel sind und durch neue, natürlich weitaus leistungsfähigere Geräte ersetzt werden sollten. Das Buch, das man vor Jahren gekauft hat, kann man auch noch nach Jahren aufschlagen und die Buchstaben stehen noch unverrückt da, wo sie immer gestanden haben, der Text ist so gut lesbar wie eh und je. Noch vieles würde mir einfallen zum Lob des guten, alten Buches, das schon manche technische Revolution überstanden hat, und ganz nebenbei auch als Speichermedium allen gängigen digitalen Formaten, die die Angewohnheit haben sich nach Jahren in Nichts aufzulösen, haushoch überlegen ist.
Nicht leugnen kann ich, dass die Vorstellung eines Buches, das alle anderen Bücher in sich trägt, ihren Reiz hat und so ist mir eine Geschichte von E.T.A Hoffmann („Die Brautwahl“) im Gedächtnis geblieben, in dem der Antiheld, ein verschrobener Kauz und Büchernarr, der im Kampf um die Gunst einer Schönen einem jüngeren Rivalen unterlegen ist, als Trostpreis aus der Hand eines geheimnisvollen Goldschmieds ein Büchlein erhält, das sich, sobald er es aus der Tasche zieht, in das Buch verwandelt, das er gerade zu lesen wünscht.
Wenn ein solches Buch auf den Markt kommt, würde ich mir die Sache noch mal überlegen. Aber bis dahin heißt es: Kein Bock auf E-Book.