Vor 200 Jahren wurden in Baden die Juden als Religionsgemeinschaft anerkannt. Das Datum gilt als erster Schritt auf dem Weg zur rechtlichen Gleichstellung mit den Christen: Am 13. Januar 1809 wurde durch ein Edikt des Großherzogs Carl Friedrich der Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRG) in Baden geschaffen. Die 200-Jahr-Feier ist Anlass für eine Ausstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg, die die jüdische Geschichte als wesentlichen Teil der Geschichte Badens zeigt und den Bogen zur Jetztzeit schlägt. 48 teils kostbare und erstmals öffentlich gezeigte Originale sind zu sehen, darunter ein mit einer von zwei Tauben gehaltenen Krone, Blumenranken und einer Inschrift bestickter Samtvorhang für den Torarollenschrank aus dem Jahr 1811.
Sehenswert ist auch eine Haggada, die die Vorbereitungen für die Pessachfeier in Reimen und Bildern darstellt, gefertigt von dem Torarollenschreiber Abraham Levi 1740 in Ihringen für den Vorsteher der jüdischen Gemeinde Karlsruhe Salman Weisel. Das sich dem Geist der Aufklärung und französischen Einflüssen verdankende großherzogliche Edikt ist ebenso ausgestellt wie ein verunglimpfend karikierendes Figurenbild aus Terrakotta als Beispiel für antijüdische Darstellungen wie sie im 19. Jahrhundert populär waren.
In sieben Kapiteln wird die Geschichte des badischen Judentums dargestellt, von mittelalterlichen Spuren jüdischer Kultur am Oberrhein über die mystisch geprägte Volksfrömmigkeit auf dem Land und jüdsches Schulwesen im 19. Jahrhundert bis hin zu einzelnen Biografien, wie des ersten - und bis zum Ende der Kaiserzeit einzigen - Juden in einem Ministeramt in Deutschland, des badischen Finanzministers Moritz Ellstätter, geboren 1827 in Karlsruhe und 1905 hier gestorben.
Von den Verfolgungsjahren 1933 bis 1945 zeugen Deportationslisten, Briefe aus der Emigration und eine Totenliste des Lagers im französischen Gurs, in das, als eine der ersten Deportationen von Juden in Deutschland, die badischen Juden verschleppt wurden. Für ihren Einsatz für die Verfolgten stehen die Lebenszeugnisse der katholischen Christin Gertrud Luckner und des evangelischen Pfarrers Hermann Maas.
Der bescheidene Beginn des Wiederaufbaus jüdischer Einrichtungen in Deutschland nach 1945 ist ebenso dokumentiert wie heutiges Gemeindeleben. Durch die Zuwanderung aus der einstigen Sowjetunion stieg die Zahl der Gemeindemitglieder von 1.259 im Jahr 1991 auf etwas mehr als 5.000 im Jahr 2008 in zehn Gemeinden. 24.000 waren es 1925 gewesen. Die Ausstellung, der auch Schulklassen als Besucher zu wünschen sind, bietet mit Hörstationen, Touchscreen und Computerterminal die Möglichkeit Geschichte anhand audio-visueller Quellen zu erleben und zu erforschen. -afr
> bis 7.6., Regierungspräsidium am Rondellplatz, Karlsruhe, Karl-Friedrich-Str. 17, Di-So 11-18 Uhr (10.-13.4. geschlossen). - Ausstellungskatalog (184 Seiten): 19,80 Euro, - Festschrift (291 Seiten): 29,90 Euro. Eine Vortragsreihe begleitet die Ausstellung.