Kaum bin ich mit meinem Rückblick auf das Jahr 2007 fertig, muss ich mich schon mit dem zu Ende gehenden Jahr 2008 befassen. Kinder, wie die Zeit vergeht!
Ich weiß, das ist eine dieser Phrasen, mit denen man gerade im fortgeschrittenen Alter seine Denkfaulheit und Kommunikationsunfähigkeit kaschiert, aber deshalb ist die Aussage ja nicht falsch. Das Zeitempfinden beschleunigt sich nun mal, je weniger Zeit man vor sich hat.
Johannes Jopie Heesters muss es vorkommen, als würde er zwischen ein, zwei Bühnenauftritten fortwährend Geburtstag feiern, den 100., den 101., den 102., den 103., den 104. und jetzt gerade den 105. Damit er den nicht vergisst, hat ihm ein Fernsehsender aus seiner alten Heimat ein besonderes Präsent gemacht. Ein junger Reporter, offenbar gesonnen dem alten Charmeur die Maske vom Gesicht zu reißen und den Erznazi dahinter zum Vorschein zu bringen, legte dem Greis im Interview nahe, Hitler als guten Kerl zu bezeichnen und der fiel auch prompt darauf rein. Wahrscheinlich hat er nicht mehr gemeint, als dass Hitler sich ihm gegenüber nett verhalten habe. Das haben Diktatoren im privaten Umgang so an sich und ist eigentlich keiner Rede wert. So aber gab es vor Jahresschluss noch ein bisschen Aufregung um einen alten Mann, der die Welt nicht mehr versteht.
Ich bin nicht ganz so alt, aber manchmal verstehe ich die Welt auch nicht mehr. So verstehe ich z.B. nicht ganz, was Menschen dazu treibt, andere, ihnen völlig unbekannte Menschen mit dämlichen Offerten und dummdreisten Mitteilungen zu behelligen. Danke für das Angebot. Aber ich brauche keine Penisverlängerung und auch kein Viagra. Es geht gerade noch so. Als mich die ersten entsprechenden Angebote via Mail erreichten, habe ich mich gefragt, wer sich da ungefragt speziell um meine noch nicht vorhandenen Männerleiden kümmerte. Oder gerät man als Mann über vierzig automatisch in das Visier dubioser Anbieter diverser Hilfsmittelchen´ Aber woher weiß der unbekannte Absender, wie alt ich bin und was für ein Geschlecht ich habe und welches Interesse hat er daran, mir seine Dienste zu offerieren´´´ If You have a problem getting or keeping erection, you are not alone, stand in einer dieser Mitteilung. Allein bin ich nicht mit dem Problem der Spam-Mails, die millionenfach auf die Menschheit losgelassen werde.
Was waren das noch für idyllische Zeiten, als mich ab und an via Fax das Angebot erreichte mein Büro mit einem extrem günstigen unverwüstlichen, weil künstlichen Gummibaum zu schmücken. Noch verlockender war das Angebot mir einen Doktortitel zu kaufen, gerade mal 2000 Euro sollte das Teil kosten. Kein Bedarf, hab ich schon! Mein armes Faxgerät freute sich darüber, dass es überhaupt noch für irgendetwas genutzt wurde. Und ich musste immer wieder in regelmäßigen Abständen die sündhaft teure Kartusche nachkaufen, weil ja immer noch die Möglichkeit bestand, dass irgendjemand mir auf diesem Wege etwas Wichtiges mitteilen wollte.
Diese Zeiten sind passé. Jetzt kommt der Quatsch per Mail und zwar massenhaft, so dass man das virtuelle Postfach erstmal entmüllen muss, wenn man mal einen Tag nicht reingeschaut hat.
Dabei wird der Ton immer aggressiver: Da soll man Rechnungen für nie getätigte Einkäufe begleichen, von der Beschlagnahme der Festplatte ist da die Rede und in letzter Zeit wurde mir mehrfach mitgeteilt, dass meine E-Mail-Adresse wegen mehrfachen Missbrauchs gesperrt werden soll.
Ach, wie gerne würde ich die Absenderinnen die so klingende Namen wie Serhilde Jaschke und Conrada Dorfler tragen, einmal näher kennenlernen, um ihnen in den Arsch zu treten, aber wahrscheinlich handelt es sich dabei auch nur um einen virtuellen Arsch.
Ich will mich nicht dümmer stellen als ich bin. Mein noch verbliebener Rest Verstand sagt mir, dass es die Spam-Versender auf die Daten und mehr oder weniger direkt auf das Geld ahnungsloser Empfänger abgesehen haben.
Was für ein ehrbarer Broterwerb ist im Vergleich dazu der einfache Einbruch oder der gewöhnliche Taschendiebstahl. Und damit kriege ich doch noch die Kurve zu der Peinlichkeiten- bzw. Negativliste des Jahres:
Mein Unwort 2008 heißt nämlich Bankberater(die Steigerungsform lautet die Beraterbank). Das mieseste Remake des Jahres war die Pro Sieben-Version von Die Brücke, knapp gefolgt vom Pro Sieben-Seewolf, der auch quotenmäßig Schiffbruch erlitten hat. Bleibt zu hoffen, dass das den Privatsender davon abhält noch weitere der legendären ZDF-Mehrteiler der 60er- und 70er Jahre zu modernisieren.
Peinlich war auch der Auftritt der deutschen Nationalelf nach dem sang- und klanglos verlorenen EM-Finale. Wer so selbstgefällig seine Niederlagen feiert, der will und kann auch wohl nicht gewinnen. (PS. Diese Mannschaft wird ganz bestimmt 2010 nicht Weltmeister). Den Titel dümmster Sportler des Jahres hat sich unser gedopter Tourheld Stefan Schumacher unredlich verdient.
Und was die Politiker angeht, wem anders gebührt die Krone bzw, die Narrenkappe als peinlichste politische Persönlichkeit als - nein, ich meine nicht die spröde Frau Ypsilanti und auch nicht den französischen Zappelphilipp Sarkozy, sondern George W. Bush. Ich weiß, das ist nicht originell. Aber den Karren, genauer gesagt eine ganze große Nation, derart an die Wand zu fahren, das soll ihm mal einer nachmachen oder besser nicht. Weil uns zumindest dieser Herr im nächsten Jahr erspart bleibt, kann es ja noch was werden mit dem Jahr 2009.