Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 12.2008
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Werkraum: Karlsruhe

Theater mitten in der Gesellschaft

Als Theater des sozialen Lernens versteht sich „Werkraum: Karlsruhe“. 2006 gegründet und seither vielfach in der Stadt aktiv, arbeitet das Team um die Gründer Simone Manthey, Jürgen Sihler und Christopher Maas bewußt ohne eigene Spielstätte.
Der „Werkraum“ ist dort, wo das Thema des jeweiligen Stücks seinen Ort im Leben hat. Das 2500 Jahre alte Flüchtlingsdrama „Die Kinder des Herakles“ von Euripides zeigte er in der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge und im Internationalen Begegnungszentrum, gespielt von Jugendlichen, die in Deutschland heute eine neue Heimat gefunden haben, in deutscher, türkischer, englischer, französischer und russischer Sprache zugleich. Musikclub, Bordell, Studentenwohnheim und Klassenzimmer werden ebenso zum Theaterraum wie der umgestaltete Bus, mit dem das mobile Projekt „Am Ende der Angst“ an Schulen kommt, um mit Siebtklässlern über sexualisierte Gewalt ins Gespräch zu kommen.
Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bildet zur Zeit den Schwerpunkt des Werkraums, der von der Stadt Karlsruhe vor kurzem als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt wurde und sich über Projektmittel öffentlicher und privater Stiftungen sowie Sponsoren finanziert. Unter den fünf Hauptamtlichen, die die „Werkraum“-Projekte gestalten, sind neben Schauspielern eine Bühnen- und Kostümbildnerin, ein Theaterpädagoge und ein Soziologe, der an einer Dissertation über „Auseinandersetzung mit Tabus im Theater“ schreibt.
Für die Projekte mit jungen Menschen wie Schulabbrechern ohne Ausbildung oder Kindern mit sogenannter geistiger Behinderung tut sich der Werkraum mit sozialpädagogischen Fachleuten zusammen und kooperiert mit Einrichtungen wie dem Stadtjugendausschuss. „Wir konzentrieren uns auf Haupt- und Förderschulen, denn gerade bildungsferne Jugendliche lernen am besten in Geschichten“, sagt der Schauspieler, Autor und Regisseur Christopher Maas. „Sie sind nicht minder intelligent, sondern sie kommen mit der abstrakten Wissensaufnahme nicht gut zurecht, und Theater ist immer konkret, situativ“, sagt Maas.
„Im Spiel kann jeder mehrere Positionen einnehmen, so findet Austausch statt, dieses Verfahren kommt den Begabungen dieser Jugendlichen entgegen.“ Eine Erfahrung, von der auch die jüngste „Werkraum“-Produktion geprägt ist. Eine zehnköpfige deutsch-türkische Jugendgruppe setzt sich darin mit Shakespeares blutrünstigem Rachestück „Titus Andronicus“ auseinander. In Zukunft will das „Werkraum“-Team seine Arbeit wieder stärker auf Projekte mit Erwachsenen ausdehnen, und auch eine Neuauflage der Zusammenarbeit mit der Noise- und Neue Musik-Szene, wie sie 2007 beim „Werkraum“-Festival in der Fleischmarkthalle zu erleben war, ist für das kommende Jahr ins Auge gefasst. afr

Die nächste Vorstellung von „Titus Andronicus“ gibt es am 19.12., 18 Uhr, im Anne-Frank-Haus, Moltkestraße 20.