35 Jahre seines Lebens hat Johann Peter Hebel in Karlsruhe verbracht, als Schüler, als Pfarrer, als Gymnasiallehrer, als Abgeordneter des Ständehauses, als Prälat (Vorsitzender) der Evangelischen Landeskirche und dennoch wurde die badische Residenz, in der er seine alemannischen Gedichte und die Geschichten für den Rheinischen Hausfreund schrieb, von vielen seiner Hebel-Biografen nahezu links liegen gelassen.
Für sie war Hebel vor allem der südbadische Heimatdichter, den es halt unglücklicherweise in die Großstadt verschlagen hat, während er geistig im heimischen Wiesental hängen geblieben ist.
Auch gegen solche Geschichtsklitterung wendet sich Franz Littmann in seiner neuen Hebel-Biografie, in der sein Wirken und sein geistiges Umfeld in Karlsruhe den breiten Raum einnimmt der ihm zusteht.
Littmann, promovierter Philosoph, Kunstexperte, langjähriger Klappe Auf-Mitarbeiter, Grundschullehrer (und so gesehen ein Volksaufklärer wie Hebel auch), ist gerade dabei eine Hebel-Gesamtausgabe zusammenzustellen, die 2010, wenn Hebels 250.Geburtstag gefeiert wird, erscheinen soll. Die Biografie ist quasi ein Nebenprodukt dieser Tätigkeit.
Die Literarische Gesellschaft, in deren Auftrag die Hebel-Ausgabe entsteht, hat den Erfurter Sutton-Verlag, der sich auf Regional- und Stadtgeschichten spezialisiert hat, Littmann empfohlen. So reiht sich die Hebel-Biografie in eine Reihe von Büchern, in denen einstmals bekannte Männer und Frauen, wie der Verlag verkündet, dem Nebel des Vergessens entrissen werden sollen.
Nein, vergessen ist der Hebel nicht. Seine Kalendergeschichten gehören unzweifelbar zum Kanon der deutschen Literatur, seine alemannischen Gedichte sind das selten erreichte Ur- und Vorbild aller Mundartlyrik.
Aber der Mensch dahinter und sein geistiges Profil ist fast unsichtbar geworden, verstellt von Heimattümelei und Vereinnahmungen, selbst durch die Nazis, dabei zeigt Franz Littmann, der auch auf kaum bekannte, vergessene Schriften Hebels zurückgegriffen hat, dass Hebel ein Freund der Juden, ein Verfechter des friedlichen Miteinanders der Religionen war. Als Neologist versuchte er Theologie und Aufklärung miteinander zu versöhnen, als Geschichtenschreiber, so stellt Littman fest, wollte er den Leser zum Selberdenken anregen.
Hebels pragmatische situative Ethik des Hier und Jetzt ist eine menschenfreundliche, der Alltagsbewältigung zugewandte Einstellung, die gegen die dogmatische Erstarrung und fruchtlose Prinzipienreiterei gerichtet ist. Nebenbei erfährt man so manches über das geistige und kulturelle Leben in Karlsruhe um 1800.
Hebels geistiges Erbe, seine Toleranz, seine menschenfreundliche, auf das Individuum zielende Philosophie des Sowohl-als-Auch, ist etwas verschütt gegangen. Die Zeit der Zensur nach dem Wiener Kongress und wie Littmann bemerkt wohl auch Hebels Rücksichtnahme in den letzten Jahren auf seine eigene herausgehobene Position waren der Weiterverbreitung seiner Gedanken nicht förderlich.
Wer Littmanns verständlich geschriebenes, schmales, aber inhaltsreiches Buch gelesen hat, zieht innerlich den Hut vor dem klugen, gewitzten Volksaufklärer Johann Peter Hebel. -ko > Sutton Verlag, 126 Seiten, 14,90 Euro