Welchen Stellenwert nimmt für Sie die Kultur im Strauß der Aufgabenfelder ein, die sie ab Oktober übernehmen´
Wolfram Jäger: Die Kultur war sicherlich der Hauptgrund, mich nach vorherigen Anläufen nochmals in die Bewerbersituation zu begeben. Ich bin seit 24 Jahren im Kulturausschuss des Gemeinderats und seit jeher an der Kunst und Kultur interessiert. Nach dem Abitur am Markgrafen-Gymnasium, bei dem ich die beste Note im Fach Kunst erzielte, überlegte ich, Kunst zu studieren, entschied aber dann doch die Juristerei zum Beruf und die Kunst zum Hobby zu machen.
Welche drei kulturelle Veranstaltungen haben Sie zuletzt besucht´
Jäger: Das waren die Eröffnung der Comic im Film-Ausstellung in der Städtischen Galerie, das Theaterfest und im Urlaub ein mit Freunden besuchtes Konzert in Marseille. Das Musical König der Löwen, das ich gestern Abend während meines Aufenthalts in Hamburg sah, würde ich nicht dazuzählen, da es nun gar nicht meinen Geschmack traf. Aber natürlich ist auch dies Teil der Kultur, die von einem breiten Publikum geschätzt wird. 95 Prozent der BesucherInnen sprangen am Ende begeistert auf, und wir müssen uns zu Recht auch mit Vorhaltungen auseinandersetzen, die Kulturpolitik lege zu sehr den Fokus auf elitäre Kunst.
Ihr Vorgänger hat von Anbeginn seiner Amtszeit durch eigene Vorstellungen versucht, Akzente im Karlsruher Kulturgeschehen zu hinterlassen, Sichworte Gegen Gewalt oder Recht. Haben sie ähnliche Ambitionen´
Jäger: Ich war immer der Meinung, dass die Kultur eine zentrale Bedeutung für unseren Stadtgeburtstag im Jahr 2015 haben soll. Da gilt es bereits jetzt, sich vorzubereiten, um ein hochkarätiges Programm zusammenzustellen, das sowohl den BürgerInnen gefällt, als auch nach außen strahlt. Daneben gibt es natürlich auch noch einige Baustellen, die uns der Masterplan vorgibt, ich nenne da die Neuordnung der Museumslandschaft. Da wird über das Konzept, das mein Vorgänger noch zu Ende seiner Amtszeit aufgestellt hat, zu diskutieren sein. Auch das Zusammenwirken von sozialpolitischem und kulturellem Bereich in der Frage von Gewaltprävention ist mir ein Anliegen. Ich habe als Vorsitzender eines Jugendschöffengerichts Antigewalttrainingskurse erst ermöglicht und verspreche mir durch die Verknüpfung mit der Kultur Jugendlichen neue Perspektiven zu eröffnen. Aber natürlich werde ich mich bald schon mit der ja immer noch neuen Leiterin des Kulturamtes, die auch ihre eigenen Ideen hat, darüber auseinandersetzen, wo wir unsere Schwerpunkte setzen.
Wenn Sie sich die gerne gepriesene Vielfalt der Karlsruher Kulturlandschaft anschauen, wo gibt es am ehesten Defizite und Nachholbedarf´
Jäger: Es gibt keinen Bereich, den ich mit einem so negativen Wort wie Defizit in Verbindung bringen möchte. Aber wir haben natürlich ausgesprochene Stärken, die etwa in der Kunst und der Medienkunst, dem Theater mit dem Leuchtturm Staatstheater und den vielen kleinen Bühnen, oder der reichen Landschaft der Kleinkunst und soziokulturellen Zentren liegen. Ich denke wir sollten andere Bereiche, die sich da auf die gleiche Augenhöhe begeben wollen, mit offenen Armen empfangen. Aber es ist unsere Aufgabe als städtische Institution zu assistieren, nicht zu diktieren.
Mit welchen Argumenten wollen sie der in der Kultur gerne als Sparkommissarin angesehenen Finanzbürgermeisterin begegnen, um die Kultur vor finanziellen Einbußen zu bewahren´
Jäger: Ich werde argumentativ natürlich ihre eigenen Arbeitsbereiche ins Feld führen, die Wirtschaftsförderung und das Stadtmarketing. Wenn wir vor fünf bis zehn Jahren von der Kultur als weichem Standortfaktor gesprochen haben, ist heute klar, dass Kultur ein harter Faktor ist. Will sie eine effektive Wirtschafts- und Ansiedelungspolitik betreiben, muss sie bereit sein, diesen Faktor für Karlsruhe zur Geltung zu bringen.
Im Zusammenhang mit dem gerade vorbereiteten Haushaltsplan werden Kürzungen befürchtet.
Jäger: Wir werden in der Zukunft nicht aus dem Vollen schöpfen können und uns immer Fragen müssen, wo die Schwerpunkte unserer Förderung liegen. Die Kultur ist mit der Evaluation ja mit gutem Beispiel vorangegangen, auch wenn sich ergeben hat, dass es keine Einsparpotientiale gibt, im Gegenteil einige Institutionen mit guten Argumenten Ansprüche auf höhere Förderung geltend machen könnten. Doch es wird sicherlich in der Kultur keine Rasenmäherkürzungen geben können, und keine, die einen erfolgreich arbeitenden Betrieb existenziell bedroht.
Was werden sie vor allem an ihrem bisherigen Beruf am meisten vermissen, und was können sie davon am ehesten in ihre neue Aufgabe einbringen´
Jäger: Nach 16 Jahren als Vorsitzender eines Jugendschöffengerichts werde ich vor allem die unmittelbare Möglichkeit vermissen, jungen Menschen eine Perspektive geben zu können. Ich hoffe, dass das Durchhaltevermögen und der Optimismus, den man als Jugendstrafrichter unbedingt braucht, um erfolgreich arbeiten zu können, meinem neuen Amt zu statten kommen.