Milch muss heute viel können. Sie soll munter machen, lebenswichtiges Kalzium liefern, unbedingt an Schulkinder abgegeben werden, vor Osteoporose schützen und dergleichen mehr. Vom Kleinkind bis zum Greis - alle sollen vom Gesundheitswert der Milch profitieren. Doch bei aller Euphorie ist das Wissen über Qualitätskriterien und die Verfahren der industriellen Milchverarbeitung meist begrenzt.
Denn außer dass sie etliche Kilometer durch die Landschaft reisen darf, muss die Milch noch allerhand Prozeduren über sich ergehen lassen, bevor sie in der Tüte vor uns steht. Dass die Milch durch Pasteurisieren haltbarer wird und dass Homogenisieren ein Aufrahmen verhindert, wissen vielleicht noch einige.
Dass aber auch die Frischmilch zunächst einmal komplett in ihre Bestandteile zerlegt und danach je nach Bedarf zusammengesetzt und auf den gewünschten Fettgehalt eingestellt wird standardisiert wie es im Fachjargon heißt , hat mit der Vorstellung, dass Milch das sei, was der Kuh aus den Zitzen tröpfelt, nicht mehr viel zu tun. Über ultrahocherhitzte H-Milch und die seit neuestem vermarktete extra länger fische Milch und deren unleidigen Kochgeschmack wollen wir an dieser Stelle gar nicht reden.
Bei all diesen Prozeduren bleiben die wertvollen Inhaltsstoffe der Milch natürlich nicht ganz unverändert. Gerade die durch eine Wärmebehandlung denaturierten Eiweiße können für Allergiker zum Problem werden. So greifen viele wieder auf unbehandelte Rohmilch zurück, die insgesamt besser verträglich ist. Außerdem hat sie noch einen unschlagbaren Vorteil: sie schmeckt unglaublich fein und lässt die Papillen des Sozialromantikers auf einen Schlag im Dreieck hüpfen.
Rohmilch darf nur direkt vom Erzeuger an die Endverbraucher abgegeben werden und auch das nur mit dem Hinweis, dass sie vor dem Verzehr auf mindestens 70 Grad erhitzt werden sollte. Damit sind die Erzeuger aus dem Schneider und das Risiko beim Verbraucher. Doch welches Risiko´ Nach Auskunft der Veterinärämter für die Stadt und den Landkreis Karlsruhe sind Probleme mit mikrobiellen Verunreinigungen von Rohmilch direkt ab Hof nicht bekannt.
Wer es noch sicherer haben will, müsste auf die strenger kontrollierte Vorzugsmilch zurückgreifen. Sie ist wie Rohmilch unbehandelt, nur haben die Kühe den Vorzug, sich monatlich einem tierärztlichen Gesundheitscheck unterziehen zu dürfen. Weil das sehr kostenintensiv ist, sind die Anbieter rar und im weiteren Umkreis von Karlsruhe keine Vorzugsmilch zu bekommen.
Warum dann also nicht ab zum Aussiedlerhof der Familie Schleinkofer in Rüppurr und sich von den netten Bauersleuten seine Milchflaschen auffüllen lassen. Neben der ausgezeichneten Rohmilch vermarkten sie auch Mehl, Eier, Fleisch und wochenends sogar Brot direkt ab Hof.
Ein Einkaufsfeeling ganz besonderer Art bietet der Brunimat, den die Familie Knodel vor ihrem Bauernhof in Langensteinbach aufgestellt hat. Aus diesem Schweizer Patent, das aussieht wie ein Fahrkartenautomat, kann der Milchfreund nach Einwurf der passenden Münzen rund um die Uhr gekühlte Rohmilch in sein Fläschle zapfen. Sieht schräg aus, funktioniert aber einwandfrei.
Ein professioneller Rohmilch-Enthusiast ist der Molkereimeister Lothar Müller, der vor zwölf Jahren gegen manchen Widerstand die Hockenheimer Käsemanufaktur gegründet hat. In puncto Qualität sind für ihn Kompromisse nicht denkbar: verarbeitet wird nur silofreie Biorohmilch, die er vom Stift Neuburg bei Heidelberg bezieht. Dort grasen die Milchkühe den größten Teil des Jahres tatsächlich noch im Freiland - auf Weiden, deren Bewuchs eigens zur Aromaintensivierung der Milch mit Heilkräutern angereichert wurde. Dieses Qualitätsbewusstsein findet seinen Niederschlag im ausgezeichneten Käse und in der frischen Fassbutter, die ebenfalls von Lothar Müller erzeugt wird und in Karlsruhe auf den Wochenmärkten bei Rauschers Käsekutsche zu finden ist. -tpbg
Bauernhof Thomas und Christiane Knodel, Im Steinig 7, Karlsbad Langensteinbach, Tel. 07202-7891, Milch am Automaten rund um die Uhr.
Aussiedlerhof Schleinkofer, Amtmännerwiesen 3, Karlsruhe Rüppurr, Tel. 0721-98929259, Milchabgabe Mo - Sa 17-18:30 h, Sa auch 9-11:00 Uhr.
Hockenheimer Käsemanufaktur, Lothar Müller, Rathausstraße 36, Tel. 06205-6485. Eine Auswahl seiner Rohmilchkäse bei Rauschers Käsekutsche auf den Wochenmärkten am Gutenbergplatz sowie in der Waldstadt.