Silke Stock reagiert mit Kunst. Auf Texte, auf das mediale Abbild von Gewalt, auf die Ästhetik von Einkaufsmärkten und auch auf ihre Selbstwahrnehmung. Ausgelöst wird dieser künstlerische Prozess bei der 1963 geborenen Bildhauerin häufig durch Fundstücke wie jenen röhrenden Hirsch aus Porzellan, auf den sie in einem Trödelladen stieß. Warum musste ich das Ding haben´ Mit dieser Selbstuntersuchung beginnt ein Arbeitsverfahren, bei dem die Machart der glänzend weissen Nippesfigur und die aus männlicher Jägerperspektive durch Mangel definierte Rede vom weiblichen Kahlwild sich zu Schichten Lage um Lage zusammengetragener Bedeutungsebenen verbinden.
Die in solcher von Stock als umständlich und aufrichtig bezeichneten Weise entstandene Videoarbeit ist Teil einer Ausstellung im Gewölbekeller des Badischen Kunstvereins, die die ebenso schalkhaft-entlarvende wie tiefgründig-sensible Haltung der diesjährigen Hanna-Nagel-Preisträgerin spiegelt.
Unterstützung von Frauen in der Kunst ist wichtig, kommentiert die Bildhauerin ihre Auszeichnung mit dem Frauen über 40 Jahre vorbehaltenen Preis. Sie verweist auf das bedenkliche Unverhältnis von Studentinnenzahlen an den Akademien und beruflich aktiven Künstlerinnen. Ihre eigene Annäherung an die Bildhauerei begann früh. Ich habe als Kind immer Figuren gemacht, erzählt Stock, die das Kolleg am Deutschen Institut für Puppenspiel in Bochum besuchte und heute noch Bühnenbilder für ein Figurentheater entwirft. An der Hochschule der Bildenden Künste in Braunschweig begann sie ihr Studium bei Emil Cimiotti.
Der alte Informelle hat Fragen gestellt, die mich aus der Reserve gelockt haben, sagt Stock. Dem Wechsel an die Karlsruher Akademie mit so unterschiedlichen Lehrenden wie Harald Klingelhöller, Katharina Fritsch und Werner Pokorny hingegen verdankt sie die Erkenntnis, dass man in sich erkennbar sein muss.
Keramik, Papier, Pappe, Holz, Wachs, Metall, teils in Kombination, sind die Materialien, aus denen Stock ihre oft mehrteiligen Skulpturen baut. Schnelle Maßnahmen, so Storck, gehören zu ihren künstlerischen Äußerungen ebenso wie langsame, die wachsen, indem sie sich kontemplativ über Jahre hinweg einem Gedanken aussetzt. Wiederholt stellt sie sich dem Thema Gewalt aus Sicht des Erleidenden und dessen, der sie, sei es nur als Idee, in die Welt setzt. Der Zeiterscheinung den Menschen vorrangig als optisch Erlebenden zu begreifen, setzt sie die Verletzlichkeit der an ihren Körper gebundenen Kreatur entgegen. In zahlreichen Gruppenprojekten arbeitet die 44-jährige mit einem losen Netzwerk von Künstlerkolleginnen und -kollegen zusammen, das das kooperative Zusammenkommen eines breiten Spektrums von Ideen zum Prinzip erklärt. Beispiele dafür waren vor einem Jahr das Comic-Projekt auf der Karlsruher Künstlermesse und jüngst die Aktion Same Different in der Orgelfabrik. Den gemeinschaftlichen kreativen Prozesse erlebt die Bildhauerin als besonders spannend, bereichernd und sinnstiftend. afr
> Silke Stock, Hanna-Nagel-Preisträgerin 2007, Ausstellung im Badischen Kunstverein, Karlsruhe, Waldstraße 3, bis 18. November, Dienstag bis Freitag 11 bis 19 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen 11 bis 17 Uhr.