Die Idee vier Stück Frau, Maria Stuart und Elisabeth von England auf der einen Seite, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin auf der anderen Seite miteinander zu verweben, war für Elfriede Jelinek wohl eine Krücke, um durch die historischen Vorlagen das persönliche Trauma der enttäuschten Linken, als die sich die österreichische Nobelpreisträgerin selbst begreift, zu verarbeiten.
Doch die Theaterstücke der Jelinek sind so vielschichtig und umfangreich, dass sich jeder Regisseur und jede Regisseurin eine eigene Fassung aus der ursprünglichen Textwüste formen muss.
Lediglich ein knappes Fünftel des Gesamttextes sei in der gefeierten Hamburger Uraufführung auf die Bühne gekommen, so Crescentia Dünßer, die in Karlsruhe Ulrike Maria Stuart inszeniert. Jelinek war für dieses Stück gerade von Theater heute zur Autorin des Jahres gekürt worden. In Karlsruhe steht ihr heiterer Abgesang auf die radikale Linke (so der Titel einer Uraufführungskritik) im Zentrum einer Reihe von Veranstaltungen, mit denen sich das Badische Staatstheater der 30. Wiederkehr des Deutschen Herbstes widmet.
Da Karlsruhe mit der Geschichte der RAF durch Akteure, Attentate und eine Geiselnahme in vielerlei Weise direkt verknüpft ist, sah es Schauspieldirektor Knut Weber als unausweichlich, sich dem derzeit omnipräsenten Thema zu widmen, freilich auf eine nachdenkliche, unspektakuläre Weise.
Dabei werden zum Beispiel am 14.10. Michael Buback Betrachtungen 30 Jahre nach der Ermordung des Vaters anstellen und der ehemalige Generalbundesanwalt Kay Nehm am 28.10. über die gesellschaftlichen Auswirkungen einer Begnadigung der noch einsitzenden RAF-Terroristen nachdenken.
In der Literalounge am 10.10. lesen Schauspieler Ausschnitte aus drei Stücken, die sich meist auf ironisch-sarkastische Weise mit dem Thema RAF beschäftigen, unter anderem Rinderwahnsinn von John von Düffel.
Voran jedoch steht die Premiere von Ulrike Maria Stuart. Regisseurin Dünßer, die am Badischen Staatstheater mit Heinrich Kleists Käthchen von Heibronn brillierte. Sie ist dankbar für die zeitliche Distanz, die die Beschäftigung mit dem Thema RAF heute auf einer sachlicheren Ebene erlaubt:
Früher hätte man sich immer sofort selbst positionieren müssen. Heute arbeitet sie mit SchauspielerInnen, die die bleierne Zeit allenfals als Kinder miterlebt hatten, oder die aus der Perspektive des damaligen DDR-Jugendlichen eine ganz andere Warte einnehmen.
Dennoch hatten alle ihre vorgefestigte Meinung, die freilich in der Probenarbeit kräftig ins Wanken gerät: Wenn man sich genauer mit diesen Menschen auseinandersetzt, merkt man schnell, dass jegliches Urteil schwieriger wird, weil man jede Seite innerhalb ihres eigenen Systems nachvollziehen kann.
So geht es der Regisseurin auch nicht darum, mit ihrer Fassung des Jelinek-Dramas die RAF-Protagonisten zu denunzieren. Sarkastische Überspitzung, Ironie und schwarzer Humor sind bei der österreichischen Autorin allerdings nicht zu vermeiden, doch schenkelklopfend soll das Publikum nicht das Theater verlassen, lieber wünscht sich Dünßer, dass es Lust bekommt, eigene Recherchen anzustellen.
> Ulrike Maria Stuart, Badisches Staatstheater, Karlsruhe, Baumeisterstraße 11, 6.10., Premiere, auch am 12., 13., 19. und 31..