Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 09.2007
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Gibt es ein Recht auf Volksmusik´

Vor kurzem hat sich das ZDF entschlossen, sein Programm mit sogenannter Volksmusik etwas zurückzufahren, wohl auch um das Image des Seniorensenders loszuwerden. Daraufhin erhob sich großes Weh- und Achgeschrei unter denen, die von der „Volksmusik“ und insbesondere von deren TV-Präsentation leben.
Die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlager und Volksmusik“ verlautbarte, sie erwäge eine Klage, weil der Sender damit gegen das Antidiskriminierungsgesetz verstoße, der „Volkssänger“ Heino fühlte sich berufen für die älteren Leute zu sprechen, als er zu einem Gebührenboykott aufrief, und Marianne von „Marianne & Michael“ erlitt gar ob der merklich getrübten Verdienstaussichten einen Schwächeanfall.
Der Komödienstadel, mitten im Sommerloch, wirft mehrere Fragen auf, die ich hiermit ultimativ beantworte. Erstens: Um was für eine Art Musik geht es bei diesem öffentlichen Disput´ Antwort: Es geht nicht um Volksmusik. Die gibt es tatsächlich, sie führt, wie es sich gebührt, ein Nischendasein in den Regionen, aus denen sie kommt, in der sie von heimatverbundenen Laienmusikern gepflegt wird. Nie im Leben käme ich darauf, den braven Berglern das Jodeln oder Zithern verbieten zu wollen, nichts gegen echte Schnaderhüpferl und Gstanzerln, die bayerische Blaskapelle mag blasen wie sie will, und bei einem richtigen Weaner Lied kommen sogar mir die Tränen („Es wird ein Wein sein und wir wern nimmer sein“, schluchz, schluchz).
Aber was im Fernsehen zur besten Sendezeit als Volksmusik verkauft wird, das ist ein einziger Schmarrn, das hat mit richtiger Volksmusik so viel zu tun wie die Leberwurst mit der Leber, das ist ein weichgespültes, mehrfach durch die Mangel gedrehtes Surrogat aus Folklore, Schlager und Kirmesgedudel mit gereimten Schwachsinnsversen, in denen in immergleicher Weise dauergrinsende Trachtenträger die Treue zur Liebsten und zur Heimat sowie die Liebe in ihrer asexuellen Spielart beschwören, auf Hochdeutsch versteht sich (gelegentlich versetzt mit leichten aparten Mundartanklängen), damit die Verständlichkeit und Verkäuflichkeit des Produkts von Bozen bis Flensburg, von der Etsch bis an den Belt gewährleistet ist.
Für den gefälligen Sound sorgen keine Originalinstrumente, sondern das übliche elektronisch verstärkte Pop-Instrumentarium, allen voran das Keyboard, das mit mechanischen Basslinien den Mitklatschrhythmus vorgibt. Er klingt ziemlich gleich, der Seich, gleichgültig ob ihn eine Kapelle aus Südtirol oder eine aus Thüringen produziert.
Wie weit es mit den musikalischen Fähigkeiten der sogenannten Musiker bestellt ist, ist ohnehin schwer zu sagen, denn gespielt und gesungen wird mit Playback, gleichgültig ob die „Musiker“ nun auf einer geschmacklos geschmückten Bühne oder mitten auf einer Blumenwiese stehen, letzteres um zu zeigen, wie biologisch rein und naturbelassen ihr synthetisches Gedudel ist. Zweitens: Warum haben öffentlich-rechtliche Sender diesen volksdümmlichen Schmonzes so lange mitgemacht´ Antwort: Ganz bestimmt nicht, weil sie älteren, geschmacksverirrten, leicht dementen Mitmenschen etwas Gutes tun wollten, sondern weil sich eine mächtige kommerzielle Lobby gebildet hat, die mit diesen singenden, klingenden Dosensuppentüten gute Geschäfte macht.
Ein Auftritt im Fernsehen ist gewinnbringender als tausend Bierzeltauftritte. Und einige Herrschaften in der ARD und im ZDF waren nur zu bereit auf den Zug aufzuspringen. Ein gewisser Publikumszuspruch war ihnen sicher, denn es gibt sie nun mal, die Fans dieser Musik, die meisten von ihnen sind alt (Senioren) und sie benehmen sich auch so. Die Beatles, die Rolling Stones, ja selbst Elvis Presley sind an ihnen vorbeigerauscht, ohne Spuren zu hinterlassen.
Sie sind ein bißchen kindisch geworden auf ihre alten Tage und darum mögen sie es auch, wenn sie so ein Moderator, sei es nun Karl Moik, Andy Borg, Florian Silbereisen oder Carmen Nebel, behandelt wie ein Animateur in einer Feriensiedlung die ihm anvertraute Kinderschar. Es ist das gute Recht eines jeden, bevor das Sterbeglöckchen läutet, die Musik zu hören, die ihm gefällt (dafür gibt es diverse Tonträger), und es kann niemanden verwehrt werden geistig abzubauen.
Aber das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist nicht dazu da, diesen Vorgang musikalisch zu begleiten und zu fördern. Es ist aber auch das gute Recht von älteren Mitmenschen nicht mit der Seniorennachmittagsklientel in einen Topf gesteckt zu werden. Viele jenseits der 60 verbieten es sich, dass ein Heino, diese singende Sonnenbrille, als ihr Fürsprecher auftritt.
Drittens: Gibt es ein Recht auf Volksmusik im Fernsehen´ Antwort: Natürlich nicht. Habe ich mich je beklagt oder sogar dagegen geklagt, dass meine Lieblingsmusik, britischer Folk, man könnte auch sagen britische Volksmusik, von fast allen Medien links liegen gelassen wird´ Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt einen Bert Jansch und eine Band wie Fairport Convention im Radio gehört, geschweige denn im Fernsehen gesehen habe.
Das wundert mich auch nicht bei einem TV-Programmangebot, in dem selbst ein echter, wahrer Volkssänger wie Hannes Wader, der im Gegensatz zu Heino und Co. das Schatzkästlein des deutschen Liedes um ein paar Kleinode bereichert hat, nicht in Erscheinung tritt. Wenn man es genau bedenkt, sind selbst die Sendeplätze für Rockmusik rar geworden. Blues und Jazz im Fernsehen - Fehlanzeige. Und da soll es ein einklagbares Recht geben weiterhin mit dieser „Volksmusik“, die ohnehin schon viele Kanäle und jede Menge Sendezeit verstopft, zugemüllt zu werden´
Nein, es gibt keinen Anspruch auf Grundversorgung mit tönendem Stumpfsinn. Das ZDF hat sich endlich entschlossen dieses Sumpfgewächs, das man auf Kosten des Gebührenzahlers ins Kraut hat schießen lassen, zurückzustutzen. Die ARD wird (auch mit ihren Dritten) hoffentlich bald nachfolgen. Dann bleibt der ganzen „Musikantenstadl“-Mischpoke wohl nichts anderes übrig als bei Auftritten in Altersheimen und bei Kaffeefahrten die Volksnähe zu demonstrieren, die sie bislang nur behaupten.
Und dass es weniger Geld gibt, sollte den Volksmusikanten nur recht sein, können sie doch jetzt endlich leben, was sie singen („ Gold und Diamanten sind uns völlig gleich/Liebe, Glück und Treue, das macht uns so reich“).