Raum-Musik für Saxophone

Am Anfang stand der Besuch eines Konzerts der französischen Formation Urban Sax, die mit vier Dutzend Saxophonistinnen und Saxophonisten Hof und Fassaden des Mannheimer Schlosses spektakulär bespielten. Ja, das müsste es doch auch in Karlsruhe geben, dachte sich wohl der aus Messkirch stammende und seit den 1970er Jahren in Karlsruhe lebende Bildende Künstler und Saxophonist Helmut Wetter, der bald daraufhin immerhin zehn MitmusikerInnen fand, die mit ihren metallischen Holzblasinstruemnten die halligen Innenräume des Badischen Kunstvereins betönten. Das Debütkonzert im Sommer 1986 war dann ein Riesenerfolg, so lange Schlangen von auf Einlass hoffenden Menschen hatte man vor dem altehrwürdigen Ausstellungsgebäude in der Waldstraße wohl noch selten gesehen. Das Konzept der Truppe erwies sich als so einfach wie spannend und in der Folge auf viele reizvolle Aufführungsorte übertragbar. Die Gruppe arbeitet in freier Improvisation im Raum und mit dem Raum, reagiert auf die klanglichen, akustischen und architektonischen Gegebenheiten und entwickelt ihre Musik im improvisatorischen Prozess, wobei durch die Bewegung im Raum unterschiedliche Konstellationen entstehen und so den Klang im Raum erfahrbar wird.

Daran hat sich in den vergangenen 40 Jahren nicht viel geändert, doch wurde das Konzept verfeinert und das Aufeinanderhören weiter geschult. Für jeden zu bespielenden Raum wird eine spezielle Strategie entwickelt, für Fabrikhallen, Tiefgaragen, Bahnhöfe, Wasserspeicher, Hallenbäder, Gasometer, Kirchen, Kunsthallen. Zu den Höhepunkte in den vergangenen 40 Jahren zählt die Gruppe, die auch in Russland, Rumänien, Island und anderen europäischen Ländern auftrat, unter anderem Konzerte im Wasserspeicher Leinfelden-Echterdingen mit einem Nachhall von 43 Sekunden, im Mariendom in Neviges, wo auch die erste von insgesamt drei CDs entstand, sowie der Auftritt im Völkerschlachtdenkmal in Leipzig. Dreimal nahm das Ensemble im schottischen St. Andrews, in Strasbourg und in Zagreb am World Saxophone Congress teil. "Doch das Erstaunlichste bei alledem bleibt das", so der Jazzjournalist Bert Noglik in seinem Porträt der Gruppe, "was so schwer in Worte, Bilder oder Vergleiche zu fassen ist: das Wachsen der Töne aus der Stille, das Auf-und Abschwellen von Klangströmen, das Auftauchen des Einzelnen aus der Gruppe, das Zusammenschmelzen und Überlagern von Sounds zu eigenwilligen Collagen, das rhythmische Pulsieren von Saxophonchören, das surrealistische Verfremden und das konstruktivistische Verschweißen, das zarte Klagen und das wilde Aufbäumen und all das, wofür es keine Begriffe gibt: wenn im Prozeß des Spontanen etwas ganz und gar Sinnfälliges und zugleich Magisches entsteht."


Sa 29. November 2025, 20 Uhr
Badischer Kunstverein
Waldstraße 3
Karlsruhe