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Archiv: 05.2025
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Schmuck gehört zur Menschheitsgeschichte

Macht, Ausbeutung, aber auch Gemeinschaft und Utopien

Bild - Schmuck gehört zur Menschheitsgeschichte
Seit diesem Frühjahr ist Friederike Zobel die neue Leiterin des Schmuckmuseums und des Technischen Museums in Pforzheim. Sie tritt damit die Nachfolge der langjährigen Leiterin Cornelie Holzach an, die sich mit der aktuellen HipHop-Ausstellung vom Schmuckmuseum verabschiedete, das sie zwei Jahrzehnte geleitet hatte. Klappe Auf sprach mit der Museumsexpertin Zobel über ihre neue Aufgabe.


Friederike Zobel, sie kamen zuletzt aus der Metropole Berlin nach Pforzheim. Bedeutet dieser Ortswechsel für Sie nicht einen Kulturschock?
Friederike Zobel: So würde ich das nicht nennen, aber ich bin hier natürlich im Bewusstsein hergekommen, in einen Ort mit ganz anderen Qualitäten zu kommen. Aber auch hier gibt es Hochschulen, große Städte wie Stuttgart oder Karlsruhe sind nah und Frankreich vor der Tür. Ich fühle mich hier sehr wohl, Pforzheim ist ein wunderschöner Ort mit einer tollen Umgebung und sehr freundlichen Menschen, ich bekam einen herzlichen Empfang und arbeite hier mit einem zauberhaften Team für eine der schönsten Aufgaben, die man sich nur vorstellen kann. Außerdem ist es mir wichtig, dass man dort, wo man arbeitet, auch lebt.

Was vor allem hatte Sie daran gereizt, sich nach Pforzheim zu bewerben?
Zobel: Einen Ausschlag gab sicherlich, dass zum Schmuckmuseum auch das Technikmuseum gehört, was in der Kombination spannende Verbindungen ins Hier und Jetzt, aber auch in die Zukunft zu knüpfen erlaubt. Dies gilt es zu entwickeln, ohne die Eigenständigkeit der beiden Häuser aufs Spiel zu setzen. Zum anderen inhaltlich Schmuck als Kulturgegenstand, durch dessen Brille sich die Menschheitsgeschichte erzählen lässt: Seit deren Beginn schmückt sich der Mensch, dabei werden auch viele Konfliktlinien sichtbar. Über Schmuck lassen sich Diskriminierung, Macht und Ausbeutung, aber auch Gestaltung, Gemeinschaft und Utopien veranschaulichen. Diese sehr schönen Gebäude und ihre wunderschönen Sammlungen bieten einen gigantisch großen Möglichkeitsspielraum, um über unendlich vieles zu erzählen, was man auf den ersten Blick gar nicht so vermuten würde.

Sie haben nun die Leitung eines Schmuckmuseum inne. Inwieweit passt das für Sie, die ja nicht wie ihre Vorgängerin von der Goldschmiede kommen?
Zobel: Ich komme zwar nicht originär vom Schmuck, aber ich habe mich in den vergangenen Jahren mit der Museumsentwicklung in allen Bereichen beschäftigt. Da scheint es mit gar nicht so entscheidend, Schmuckexpertin zu sein, denn Museen stehen grundsätzlich vor ähnlichen Herausforderungen. Am wichtigsten ist für mich die Vermittlung. Also die Aufgabe, passende Erzählweisen zu finden, die auch nachfolgende Generationen, die wesentlich schneller mit Neuigkeiten und Trends versorgt werden und umzugehen haben, erreichen und dabei Spaß am Entdecken und Lernen eröffnen.

Welchen Publika möchten Sie den beiden Pforzheimer Museen erschließen?
Zobel: Es ist die zentrale Aufgabe und Verpflichtung aller Museen, für die Gesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt offen zu sein, in deren Dienst wir ja stehen. Dabei ist die ständige Verbesserung der Vermittlung ein Prozess, der nie abgeschlossen sein kann. Wenn wir Kindern und Jugendlichen den Zugang nicht möglich machen, haben wir ein Zukunftsproblem. Wir müssen aber auch generationenübergreifend denken, damit möglichst viele uns als ihr Haus begreifen und nutzen. Dabei gilt es auch, über die bisher erprobten Erzählweisen hinauszugehen und in die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereiche vorzudringen, um deren soziales Umfeld ins Haus zu holen, die dann ihre Geschichten und Themen mitbringen und erzählen.
Da ist die von meiner Vorgängerin konzipierte aktuelle HipHop-Ausstellung ein wunderbares Beispiel. Sie ist so erfolgreich, weil sie authentisch ist und sich auch so vermittelt. Das funktioniert vielleicht nicht bei jedem Thema so gut, aber unser Ziel muss sein, immer ein die Gesellschaft abbildendes Publikum anzusprechen und die Geschichten authentisch und nah an den Menschen, die wir erreichen wollen, zu erzählen. Auch was Sprache, Dramaturgie und Tempo angeht.
Wir können nicht immer wissen, ob das dann so aufgeht, aber das Ausprobieren sollte unsere gelebte Praxis sein, die auch die Möglichkeit zu scheitern einschließt. Dies zu akzeptieren, sollten wir als Gesellschaft besser lernen. Wir sind Diplomaten in eigener Sache und versuchen mit großen Engagement, alle mitzunehmen, die wir mitnehmen können. Das kann auch ziemlich anstrengend sein.

Wann könnten Sie Ihre erste eigene Ausstellung eröffnen und welches Thema könnte diese haben?
Zobel: Das zu nennen, wäre jetzt zu früh, und würde das Pferd von hinten aufzäumen. Wir haben zwar bereits grundsätzliche Planungen für die nächsten anderthalb Jahre, und wahrscheinlich werde ich mich bereits in der nächsten Ausstellung einbringen können. Es entspräche aber nicht meinem Selbstverständnis, von einer eigenen Ausstellung zu sprechen. Alles, was ab jetzt hier passiert, wird eine Teamleistung sein. Aber natürlich werde ich auch meine persönlichen Schwerpunkte und Fragen einbringen. Zum Beispiel sind die geopolitischen Aspekte der Schmuckherstellung und der damit verbundenen Ressourcenbeschaffung im Hinblick auf globale Machtverhältnisse ein spannendes und hochrelevantes Thema – insbesondere in einer Welt, die sich rasant verändert.

Jahnstraße 42, Pforzheim
schmuckmuseum.de


Foto: ©Peter Zobel