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Archiv: 02.2024
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"Richtig groß"

Letzte Händel-Festspiele in der Hand von Ulrich Peters

Bild - "Richtig groß"
Mit den Händel-Festspielen, die mit einem dicht mit Höhepunkten gespickten Programm vom 16. Februar bis zum 4. März das Programm des Badischen Staatstheaters bestimmen, zieht der Interimsintendant Ulrich Peters in die Endkurve. Zum Finale lässt er es richtig krachen und übernimmt überdies die Regie der diesjährigen Opernpremiere "Siroe Re di Persia". Klappe Auf unterhielt sich mit dem Barock- und Heavy-Metal-Fan.

In diesem Jahr scheinen die Händel Festspiele besonders opulent auszufallen und es gibt auch ein paar deutlich neue Klangfarben. Gibt es dafür einen Anlass?

Ulrich Peters: Länge und Dichte haben verschiedene Gründe. Zum einen haben wir erstmals eine Kinderoper im Programm, was ich unglaublich schön und wichtig finde. Dann haben wir das Glück, dass die Badische Staatskapelle das Festival mit Sinfoniekonzerten abschließen kann. Zum dritten habe ich Gelder zusammengekratzt, um die Festspiele diesmal richtig groß werden zu lassen. Dabei ist mir das Crossover besonders wichtig, mit dem wir auch ein jüngeres Publikum für Händel gewinnen wollen. Da sind zum Beispiel das "Closer to Paradise"-Projekt der klassischen Band Spark mit dem Countertenor Valer Sabadus und zum anderen die Band Neopera, die Händel mit Heavy Metal kreuzt. Deren Konzert im Kleinen Haus war in kürzester Zeit ausverkauft, so dass wir überlegen, ob wir im Substage ein Zusatzkonzert organisieren.

Wie kann es sein, dass selbst bei den 46. Festspielen immer noch Neuentdeckungen für Karlsruhe wie die Oper Siroe auf dem Programm stehen können?

Peters: Ich kannte von Siroe auch nur eine amerikanische Aufnahme und die ist sterbenslangweilig. Dann fiel mir die Aufnahme von Andreas Spering in die Hände, und ich dachte sofort: was für eine tolle Musik. Als ich mich mit der Geschichte befasste, war ich fasziniert. Auf den ersten Blick sind das alles böse Charaktere, die diesen perfekten Politkrimi bevölkern. Doch wenn man sich näher mit ihnen auseinandersetzt, merkt man, wie durchaus gerechtfertigt ihr Tun ist. Siroe ist letztlich ein bezaubernder Softie, das kann man gar nicht anders sagen. Im Grunde genommen sind die Händel-Opern im besten Sinne komprimierte, enorm populäre Netflix-Serien wie Game of Thrones, aus denen wir viel über die Vergangenheit lernen. Ich schaue zum Beispiel gerade "Versailles", wo man erfährt, wie gefährlich und angstbesetzt das Leben selbst eines Ludwig XIV war. Genauso war es bei Siroe, dessen Geschichte auch ohne Musik packen würde. Dazu hat Händel die einzelnen Figuren meisterlich abschattiert, dass noch jede musikalische Wiederholung für sich genommen ein Genuss ist.

Sie hatten vor zwei Jahren angekündigt, die Händel-Festspiele auch an andere, für Barockmusik eher unkonventionelle Orte tragen zu wollen. Immerhin findet in diesem Jahr Händels Geburtstagsparty in der benachbarten Partylocation Stadtmitte statt. Ansonsten konzentriert sich das Festival fast ganz auf das Staatstheater. Warum?

Peters: Da musste ich zurückrudern, als ich sah, dass die Konzerte außer Haus viel schlechter besucht waren. Ich war das so von Halle gewohnt, wo die Händel-Festspiele über die ganze Stadt verteilt stattfinden, am wenigsten noch im Opernhhaus. Wenn die Karlsruher aber ihre Festspiele eben im Staatstheater verorten, kann man ihnen ja entgegenkommen, zumal das viele Kosten und organisatorischen Aufwand spart.

Mit diesen Händelfestspiele ziehen Sie in die Endkurve ihrer kurzen Karlsruher Intendanz. Wie haben Sie diese Zeit erlebt und wie gestaltet sich die gegenwärtiige Phase, in der der Umbruch sich abzeichnet?

Peters: Der Anfang war sehr schwierig, da wir mitten in Corona steckten. Alle trugen Masken und auch aufgrund der vorangegangenen Situation hier am Haus blieben alle vorsichtig distanziert. Wenn man ein Theater und seine Mitarbeiter mitnehmen möchte, ist das so schon psychologisch sehr schwierig. Dazu kommt die extrem langfristige Planung an so einem Haus, wo für mit inhaltlich zunächst wenig Gestaltungsspielraum blieb. Am Ende der zweiten Spielzeit konnte ich dann endlich La Boheme inszenieren und bin dabei endlich mit den MitarbeiterInnen direkt in Kontakt kommen. Als Intendant nur an seinem Schreibtisch zu sitzen, ist ein einsamer Job. Jetzt in der dritten Spielzeit macht es richtig Spaß und es könnte gerne noch etwas weiter gehen.

Der Abgang Ihres Vorgängers hat eine strukturelle Führungskrise in deutschen Theatern an die Oberfläche gespült. Haben sich die Theaterlandschaft und ihre Führungsstrukturen dadurch nachhaltig gewandelt?

Peters: Das hat sich schon vorher verändert. Ich bin es zum Beispiel lange gewohnt, mit extrem flachen Hierarchien zu arbeiten, und hatte das Glück, ein tolles Team um mich zu haben. Am Ende freilich muss einer entscheiden und da gibt es immer Gewinner und Verlierer. Das Problem scheint mir, dass viele Menschen nicht mehr bereit sind, auch einmal zu verlieren. Es scheint da eine Generation heranzuwachsen, die mit einem Nein nicht mehr umgehen kann, was schon eine Frage der Erziehung ist. Wir arbeiten am Theater unter extremem Druck, was Zeit und Erfolg angeht, da müssen alle an einem Strang ziehen.