Es ist eines der ältesten erhaltenen Häuser der Fächerstadt und ein Kuriosum im Straßenbild, doch gleichzeitig seit drei Jahren ein Ort, wo die urbane Zukunft so intensiv gedacht wird, wie an kaum einem anderen Ort der Stadt. Seit 300 Jahren steht in der östlichen Kaiserstraße eingezwängt zwischen fünf- und sechsgeschossige Bauten das kleine Seilerhäuschen, das 234 Jahre lang im Besitz der Seilerfamilie Schönherr gewesen war. Noch Anfang der 1980er Jahre wollte die Stadt dieses Unikum abreißen, ehe es durch öffentlichen Druck unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Seit drei Jahren ist hier die Kulturküche untergebracht, die das Modellhandwerkerhaus aus der Gründungszeit der Fächerstadt in ein Modellhaus für die gesellschaftliche Zukunft einer städtischen Gesellschaft verwandelte. "Wir haben hier einen Ort geschaffen, der auf verschiedenen Ebenen darüber nachdenkt, wie die gesellschaftliche Zukunft aussehen könnte", so Sarah Tzitzikos, eine der Mitbegründerinnen der Kulturküche, "das betrifft die Arbeitsorganisation in selbstverantwortlichen Teams ebenso wie einen umweltschonenden Umgang, das Füreinanderdasein wie das Raus aus dem Hetzen und Rein in den Genuss".
An fünf Tagen der Woche ist das Seilerhäuschen mit seinem lauschigen Hinterhof ein offener Ort, an dem jeder kommen kann und bei Bedarf ebenso ein offenes Ohr wie einen gesunden Mittagstisch für wenig Geld findet. "Wir brauchen Orte der Begegnung, wo die Menschen Kontakt zueinander finden. Wenn man sich wieder um die anderen kümmert, entsteht auch wieder Engagement für die Gesellschaft", beschreibt Tzitzikos ihre Motivation für die Kulturküche, für die sich rund 180 Menschen, allzumeist ehrenamtlich engagieren. "Ich komme vom Dorf und kennen dieses gegenseitig aufeinander aufpassen, das im Städtischen Leben fehlt", ergänzt die Sonderpädagogin. So ist die Kulturküche auch ein Raum, der der Isolation und der Einsamkeit entgegenwirkt.
130 Menschen fast aller Gesellschaftsschichten besuchen täglich den schnuckeligen Ort, lauschen kleinen Konzerten oder Lesungen, genießen den veganen Brunch oder nehmen sich einfach ein Glas Wasser oder eine Scheibe Brot, die es hier immer umsonst gibt. Doch wie finanziert sich ein solcher Ort, der vielen etwas gibt, aber nur wenig einnimmt? "Es war von Anfang an klar, dass wir verschiedene Säulen brauchen", so Tzitzikos, "neben der Gastronomie sind das Spenden und Projektmittel, aber auch Firmenpartnerschaften und -angebote." Corona hatte dieses Modell freilich erst einmal ausgebremst, sodass es fast wie ein Wunder wirkt, dass die Kulturküche die Pandemie überlebte. Freilich mussten zwischenzeitlich alle Angestellten entlassen werden, doch rein ehrenamtlich ist ein solcher Ort auf Dauer nicht zu stemmen. Inzwischen konnten zwei Drittel der Mitarbeitenden durch Projektgelder wieder angestellt werden.
Im nächsten Schritt sollen ein Koch und eine Servicekraft wieder eingestellt werden, was den Mittagstisch als Pulsschlag der Kulturküche sichert und damit ermöglicht, das Häuschen überhaupt offen zu halten. Dafür hofft die Kulturküche auf zusätzliche Spenden in der Höhe von 20.000 Euro. Im Jubiläumsjahr des Seilerhäuschens, das mit zahlreichen kulturellen Gastgeschenken anderer Institutionen und vielen kleinen Kulturbeiträgen gefeiert wird, segelt die Kulturküche auf einer Welle der Sympathie, was der bürgerschaftlichen Initiative hoffentlich am Ende eine dauerhafte Grundlage bieten wird.
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Kulturküche
Kaiserstraße 47
Mo bis Fr 11 bis 15 Uhr
(Di bis 14 Uhr / Mo keine Küche)
sowie bei Veranstaltungen
kulturkueche-karlsruhe.de