Peter Weibel starb am 1. März 2023: Als das Zentrum für Kunst und Medien, kurz ZKM, und die mitgegründete Hochschulle für Gestaltung HfG durch den frühen Tod des Gründungsdirektors Heinrich Klotz nach wenigen Jahren in den Hallen der früheren Munitionsfabrik führungslos wurde, drohte der Kulturtanker in die Hände von Kulturbürokraten zu fallen, die sich anschickten, dem Kunstforschungslabor den künstlerischen Kreativitätshahn abzudrehen. Dass sich mit Peter Weibel ein Künstler von internationalem Rang, dazu gefragter Wissenschaftler, weltweit vernetzter Kurator, Innovator und Medientheoretiker, damals für Karlsruhe entschied, war keine Selbstverständlichkeit, entpuppte sich jedoch je länger desto mehr als Erfolgsfaktor für die Institution ZKM.
Unter Weibel gewann das ZKM ebenso internationales Renommee, wie es sich immer stärker in der Fächerstadt verwurzelte. Das lag nicht zuletzt an der immer neugierigen, stets umtriebigen und zugewandten Persönlichkeit ihres künstlerischen Kopfes, der mit seinen Jutebeuteln über den ZKM-Vorplatz schlurfend extreme Bodenständigkeit bewies. Jettete er nicht gerade mal um die Welt, um sich mit Kollegen zu treffen oder in China oder anderswo eine ZKM-Ausstellung zu eröffnen, war er stets in seinem Haus anzutreffen. Ein Künstler zum Anfassen sozusagen, ein stetig strudelnder Assoziationsgenerator, als den ihn die FAZ rückblickend bezeichnete, und ein wahrer Tausendsassa im besten Sinne.
Alleine die Fülle an Ausstellungen, die er mit seinen Freunden wie Hans Belting oder Bruno Latour auf die Beine stellte, die vergessenen Pioniere, die er ausgrub und präsentierte, oder die Themen, die er in enzyklopädischen Schauen reflektierend präsentierte, war schwer beeindruckend. Wenn er in einem Jahr nicht drei Bücher auf den Weg brachte, fühlte er sich unglücklich, wobei seine meist nur in Englisch erscheinenden Kataloge häufig erst Monate nach Ausstellungsende herauskamen, um dann in alle Welt verbreitet zu werden.
Diebisch freute sich Weibel, wenn von ihm vorangetreibene Ausstellungsthemen Jahre später in New York oder sonstwo in der Welt aufgegriffen und kopiert wurden. Digitalisierung und Überwachung, der Macht und Korrumpierbarkeit der Bilder, Big Data und der Erde als kritischem Planeten waren einflussreiche Schauen gewidmet. Die Karlsruher liebten Weibel und das ZKM für die große Lichtkunstausstellung, die museale Präsentation der Karlsruher Tänzerin Sascha Waltz, Car Culture oder Sound Art. Mehr noch freilich für die wunderbare Stadtausstellung zum 300. Geburtstag der Fächerstadt und die Erfindung der Schlosslichtspiele, die seit 2015 im Sommer Menschenmengen auf den Schlossplatz locken.
Doch Weibel war nicht immer jedermanns Freund, dazu war er, der 1968 mit der legendären Aktion "Kunst und Revolution" an der Wiener Universität die Bürger verschreckt hatte, zu kritisch. Zum offenen Zwist mit dem Karlsruher Oberbürgermeister kam es, als der Österreicher dem Stadtoberen undemokratisches Gebaren vorwarf, als er das Lüpertzsche "Künstler-Geschenk" für die U-Strab-Haltestellen eigenmächtig entgegennahm.
„Die Lokalpolitik versteht möglicherweise nicht so ganz, was das ZKM für die Stadt leistet. Wir werden als einer der wichtigsten Kulturorte in Deutschland geführt und haben etwa zum Stadtgeburtstag unheimlich viel beigetragen, das Ergebnis war, dass uns die Zuschüsse gekürzt wurden“ zeigte sich Weibel 2019 angesichts einer Sparinitiative der Stadt angesäuert. Gleichzeitig solidarisierte er sich mit den freien Kultureinrichtungen, die angesichts der eh schon geringen Zuschüsse umso mehr unter der allgemeinen Sparmaßnahme zu leiden hätten.
Wenig nett waren auch die Querelen um diverse Vertragsverlängerungen für den 1944 in Odessa geborenen Weibel, der erklärtermaßen gerne bis zu seinem 80. Geburtstag dem ZKM vorgestanden hätte. Anfang April hätte seine Amtszeit nun endgültig enden sollen, kurz zuvor wollte er mit Renaissance 3.0 seine letzte große ZKM-Ausstellung eröffnen. Am 1. März 2023 starb Peter Weibel nach kurzer schwerer Krankheit, wenige Tage vor seinem 79sten Geburtstag und dem offiziellen Dienstende. Sein Nachfolger, der hierzulande noch relativ unbekannte 53-jährigen Brite Alistair Hudson, wird sich in großen Fußstapfen zurecht finden müssen.