Sie sind zurück, zwar auf zwei Tage stark eingedampft, doch wieder live und lebendig im Karlsruher ZKM.
Der Goldene-Zitronen-Frontmann, Punkveteran und Theatermacher Schorsch Kamerun ist mit einem Live-Hörspiel dabei. Eine prominente Jury - unter anderem mit den Schauspielerinnen Leslie Malton und Maryam Zaree, sowie der Karlsruher Schauspieldirektorin Anna Bergmann - diskutiert vor Ort über die Wettbewerbshörspiele. Die Entscheidung der Jury wird dann in der feierlichen "Nacht der GewinnerInnen“ präsentiert, musikalisch ergänzt durch die "folklorefreie Volksmusik"-Kapelle Dreiviertelblut aus Bayern.
Außerdem kann man Hörstücke, die über ein Orchester von 47 Lautsprechern im Raum verteilt werden, in zwei Klangdom-Programmen gemeinsam anhören.
Die zwölf von den beteiligten Sendeanstalten eingereichten Wettbewerbsstücke muss man aber zuvor zu Hause über die ARD-Mediathek oder hoerspieltage.ard.de anhören. Dann kann man auch für den Publikumspreis mitstimmen, der in der abschließenden Gala vergeben wird. Dort gibt es auch Preise für die besten Kinderhörspiele des Jahres, doch der beliebte Kinderhörspieltag ist 2021 einfach noch nicht wieder drin.
Klappe Auf unterhielt sich mit dem Hörspielmacher und Kulturjournalist Walter Filz, der als Chef der Redaktion Hörspiel und Feature beim SWR erstmal die ARD-Hörspieltage leitet.
Man muss ja nicht aus dem Haus gehen, um ein Hörspiel zu genießen. Gibt es Anzeichen, dass diese Kunstform durch ihren immanenten Lieferservice in den Zeiten der Pandemie gestärkt wurde?
Walter Filz: Ja absolut. Wir können die Hörerzahlen am Radio nur sehr ungefähr ermitteln, aber die Online-Nutzung können wir bis auf die letzte Ziffer messen. Dabei können wir sagen, dass der Griff zum Hörspiel in Zeiten der Pandemie sehr beliebt wurde und sich die Zugriffszahlen locker verdoppelt haben.
Was leistet Ihrer Meinung nach das Hörspiel, was so keine andere Kunstform vermag?
Walter Filz: Der naheliegende Vergleich ist da immer der Film, und natürlich kann man sich beim Hörspiel viel mehr selbst vorstellen. Man kann das Hörspiel völlig zeit- und ortsunabhängig genießen und dabei sogar noch etwas anderes tun. Das heißt nicht nebenbei, denn wir haben ja zwei Hirnhälften, die sich auf unterschiedliche Dinge konzentrieren können.
Nun bieten die ARD-Hörspieltage eine der wenigen Gelegenheiten, Hörspiele in der Öffentlichkeit gemeinsam anzuhören und sich darüber auszutauschen. Dieses Moment fällt bei der diesjährigen Kurzausgabe ebenso aus wie der Familienmagnet des abschließenden Kinderhörspieltags. Warum lohnt es sich trotzdem, in diesem Jahr ins ZKM zu kommen?
Walter Filz: Schon alleine wegen der Diskussion und dem Gespräch über das Hörspiel. Die Jury ist live vor Ort und wird anhand von Ausschnitten über die Wettbewerbsstücke diskutieren. Das ist unsere Meinung nach genauso interessant wie die populären Diskussionen über Bücher, die man auch spannend finden kann, wenn man den diskutierten Gegenstand nicht bis ins Detail kennt. Zumal man bei uns ja im Vorfeld die Hörspiele anhören kann. Zudem gibt es mit Schorsch Kamerun ja ein Livehörspiel, bei dem es auch etwas zu sehen gibt. Der Kinderhörspieltag lebt nicht zuletzt von der Bewegung und den Angeboten jenseits der eigentlichen Aufführungen. Mit reduzierter Besucherzahl und dem Zwang, am Sitzplatz zu bleiben, wäre der Charakter dieser Veranstaltung nicht erreichbar gewesen. Das holen wir nach, sobald es wieder möglich ist.
Die ARD-Hörspieltage sind immer auch ein Branchentreff, der sich mit Situation, Form und Entwicklungsmöglichkeiten des Hörspiels auseinandersetzt. Vor welchen Herausforderungen und Chancen stehen die Hörspielmacherinnen und -macher aktuell?
Walter Filz: Den Nachmittag vor der Preisverleihung widmen wir der Präsentation und Diskussion neuer Formate. Gerade durch die Online-Nutzung haben wir viele Hörspielfans gefunden, die ansonsten eigentlich gar kein Radio hören. Wir haben in der jüngsten Vergangenheit viel über dieses Publikum gelernt, und der veränderte Distributionsweg und die neuen Adressaten könnten ja auch ihren Niederschlag in neuen Inhalten und Formen finden. So gibt es Möglichkeiten für interaktiven Formen, die in Richtung Gaming gehen, oder serielle Ansätze, bei denen man sich über viele Folgen in einer Geschichte verlieren kann. Wir haben lange im klassischen Format des Sendeplatzes gedacht und auf 30- oder 60-Minüter hin produziert. Mit dem Podcast-Modell hat sich hier ja eine vollkommene Freiheit ergeben, so dass alle möglichen Dauern denkbar geworden sind. Auch wird es um die Frage gehen, ob wir weiterhin Hörspiele in klinisch aseptischen Studios produzieren wollen, oder vielleicht wie der Film nach draußen gehen. Ich denke, wir sind gegenwärtig in der glücklichen Lage, so viele Möglichkeiten zu haben wie noch nie und uns die für das jeweilige Projekt die jeweils beste aussuchen zu können. Es gibt sehr viele Wege, zu einem guten Resultat zu gelangen.
> 12. und 13. November 2021, live im ZKM Karlsruhe, Lorenzstraße 19, Eintritt frei, außer Live-Hörspiel, Infos, Tickets und Wettbewerbshörspiele unter hoerspieltage.ard.de