Dominika Szope übernimmt am 1. Oktober 21 die Leitung des Karlsruher Kulturamts. Die 45-Jährige mit einem Magisterabschluss in Kunstwissenschaft leitete seit 2011 die Abteilung Kommunikation und Marketing am Zentrum für Kunst und Medien (ZKM). Im Gespräch mit Klappe Auf erläutert sie ihre Vorhaben.
Welche Impulse möchten Sie im Bereich Kultur für eine nachhaltige Stadtentwicklung geben?
Dass wir im kulturellen Bereich unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit agieren müssen, ist keine Frage. Es geht um die Möglichkeiten der einzelnen Einrichtungen, zum Beispiel darum, zu fragen, inwieweit sich Energieausgaben von Museen und Ausstellungen bilanzieren und verbessern lassen oder welche hybriden Formate sich nutzen lassen - ohne dabei zu vergessen, dass auch das Internet Energie benötigt. Aus dem Anschauen einzelner Fälle können Blaupausen für andere Einrichtungen entstehen. Kulturelle Nachhaltigkeit bedeutet mit dem Blick auf Diversität aber auch, Vorträge nicht nur vom Englischen ins Deutsche zu übertragen, sondern Gebärdensprache und Untertitel zu bieten und die Kompetenz auf Fachpodien durch mehr Frauen und Colored People zu erweitern.
Wie beschreiben Sie Ihren Gestaltungsraum zwischen den Vorgaben von Verwaltungsspitze und Gemeinderat und den Wünschen von Kulturakteuren?
Viele Kulturorte der Stadt lerne ich gerade aus neuer Perspektive kennen. Ich sehe mich als Mittler und Mediator, um das kulturelle Angebot weiter auszubauen und neue Ideen zu entwickeln, auch im Hinblick auf das Einbeziehen kulturferner Gruppen.
Wie lassen sich bislang uninteressierte Menschen für kulturelle Angebote begeistern und warum sollten sie es?
Es kommt darauf an, die Motivation verschiedener Gruppen wahrzunehmen, um eine breitere Ansprache ins Publikum zu erreichen. Zugänglichkeit ist ein wichtiges Stichwort. Es gibt in Deutschland beispielsweise eine Vielfalt an Kultureinrichtungen, aber die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ist zuweilen sehr groß, lediglich 20 Prozent der Bevölkerung gehen regelmäßig ins Museum. Kultur ist einer der letzten Orte der Zusammenkunft, sie hält die Gesellschaft durch Austausch lebendig. Kultur ist eine Art Spielplatz, um Dinge zu diskutieren, neu zu denken und auszuhandeln. Der technologische Wandel zeigt: Wir sind lediglich dumme Nutzer der neuen kulturellen Techniken, solange wir ihre Abläufe nicht verstehen und nicht die Erfahrung machen, mündig mitzuwirken. Wir brauchen eine kulturelle Vernetzung parallel zur technologischen.
Museen und Archive verändern sich durch die Digitalisierung grundlegend. Welche Möglichkeiten bietet sie?
Digitale Bestände tragen zum Erhalt der Objekte für zukünftige Generationen bei und sind ein großer Vorteil für alle, die nicht an den Ort einer Sammlung kommen können. Darüber hinaus geht es aber darum, das Analoge nicht lediglich digital abzubilden. Kultur bedeutet Erlebnis, wir werden auch weiterhin analoge Erlebnisse benötigen und sie werden stattfinden, wir werden aber auch digitale Erlebnisse brauchen. Die Frage wird sein: Was kann im Digitalen erlebt werden, was im Analogen nicht erlebt werden kann? Idealerweise wird beides verknüpft und wir erhalten einen Zugewinn.
Wie steht es um die überregionale Sichtbarkeit des Karlsruher Kulturangebots?
Karlsruhe tut sich oft schwerer, beispielsweise von der überregionalen Presse wahrgenommen zu werden als etwa Frankfurt oder Berlin. Aber die Stadt hat großes Potenzial, wir sollten weiterhin Energie darauf verwenden, uns aus der vermeintlichen Randlage zu befreien. Neben den großen Kulturhäusern der Stadt und den Schlosslichtspielen bietet die Auszeichnung als UNESCO City of Media Arts eine weitere Möglichkeit diese Sichtbarkeit auszubauen.
Welche Rolle spielt die freie Szene für die Karlsruher Kulturlandschaft?
Sie ist ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft parallel zu den großen Institutionen, beide tragen entscheidend zu der Vielfalt bei, die wir hier erleben können.
Nicht zuletzt die Auswirkungen der Pandemie schränken die finanziellen Möglichkeiten der Stadt in den nächsten Jahren ein. Für welche Prioritäten im Kulturhaushalt machen Sie sich vor diesem Hintergrund stark?
Ich möchte zunächst mit allen Beteiligten ins Gespräch kommen, um dann gemeinsam zu überlegen, welche Formen gegenwärtig Sinn machen, und welche modifiziert werden können. Eine Frage ist, welche Veranstaltungen am besten geeignet sind, eine breitere Öffnung hin zum Publikum und für verschiedene Gruppen zu bieten. Es geht mir darum, Kultur weiter auszubauen und dabei auch neue Ideen für Fördermöglichkeiten zu entwickeln.
Aktuell scheint das Wahrnehmen und Betonen von Gruppenzugehörigkeit zu wachsen. Sollte und kann Kultur einer zunehmenden Fragmentierung der Gesellschaft entgegenwirken?
Wir befinden uns in einem sehr dynamischen Prozess, in dem viele Themen noch nicht abschließend verhandelt sind, zum Beispiel, ob die Zuschreibung, ein Mensch mit Migrationshintergrund zu sein, angemessen ist, oder wie Sprache geschlechtergerecht sein kann. Kultur kann und muss hier einen Diskussionsraum bieten, um Entwicklungen zu hinterfragen und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
afr