Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 04.2021
Musik Klassik

 

Christian-Markus Raiser - Glücksfall für Karlsruhe

Eine Sache des miteinander Atmens

Bild - Christian-Markus Raiser - Glücksfall für Karlsruhe
Als Christian-Markus Raiser vor 25 Jahren nach Karlsruhe kam, war die Karlsruher Kirchenmusik noch von den älteren Platzhirschen geprägt. Sie gönnten dem jungen Schwaben nicht allzu viel Freiraum. Dass er mit dem Bachchor eines der traditionellen Schwergewichte der Karlsruher Musiklandschaft übernahm, war für ihn dagegen ein Glücksfall, aber längst nicht die ausschließliche Erfüllung seiner künstlerischen Träume.

So gründete er geschwind mit dem CoroPiccolo einen schlanken, wendigen Kammerchor, der ihn seither bei vielen anspruchsvollen Unternehmungen begleitet. "Damals gab es so einen Kammerchor in Karlsruhe außer an der Universität noch nicht.
Aber inzwischen hat sich in der Karlsruher Kulturlandschaft sehr viel gewandelt und entwickelt", sagt der Kirchenmusiker und virtuose Organist, der vor 25 Jahren aus Stuttgart ins Badische gewechselt war. "Ich habe damals geschaut, wo es ausgesprochene Lücken gab und brachte den Internationalen Orgelsommer an der Karlsruher Stadtkirche auf den Weg, denn damals war im Sommer - abgesehen vom Fest in der Günther-Klotz-Anlage - in der Stadt kaum etwas geboten. Das hat sich seither massiv geändert."

Doch auch wenn die kulturelle Konkurrenz in der Stadt mittlerweile auf allen Ebenen groß geworden ist, fühlt Raiser die Kirchenmusik in der Fächerstadt "extrem gut" integriert, vernetzt und auch unterstützt. "Das hängt sicherlich immer mit den Menschen zusammen, die dafür zuständig sind, aber auch damit, dass es in der Stadt einige sehr ambitionierte, verjüngte Kantorate gibt, die zusammen ein gutes Team bilden."

Zu gerne hätte Raiser zum 25-jährigen Dienstjubiläum das große Besteck ausgepackt und Beethovens Neunte und die Bachsche Matthäuspassion in die Weinbrennerkirche am Marktplatz gebracht, doch ebenso wie das 115-Jährige des altehrwürdigen Bachchores im vergangenen Jahr musste das 25-Jährige des CoroPiccolo im zweiten Corona-Jahr auf Eis gelegt werden.

Überhaupt bedauert Raiser zutiefst den immensen Flurschaden, den die Pandemie auf seinem Acker hinterlässt. Insbesondere die Chorarbeit leide unter dem Kontaktverbot, "da können wir uns mit digitalen Angeboten abkaspern wie wir wollen, damit die Gruppen nicht ganz auseinanderfallen und die stimmliche Qualität erhalten bleibt. Doch das Singen ist nun mal eine Sache der Gemeinschaft, des Aufeinanderhörens und miteinander Atmens."

Es ist nicht so sehr der Niveauverlust und Leistungsrückgang, der Raiser Sorge macht: "Die wenigen, die bei unseren musikalischen Andachten derzeit mitmachen können, sind regelrecht beseelt und beglückt. Da merkt man deutlich, was Musik eben bewirken kann. Die psychischen Erkrankungen und persönlichen Krisen, das alles nimmt gegenwärtig wahnsinnig zu, da wäre die Heilkraft der Musik dringend nötig. Aber die Vorstellung, dass wir 200 Menschen auf einer Bühne haben, kommt einem gegenwärtig ja völlig absurd vor. Ich bin gespannt, wie es einmal wieder werden wird." -jf

Evangelische Stadtkirche Karlsruhe

Marktplatz

76133 Karlsruhe

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