Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 11.2006
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Neues von Harald Hurst

so isch’s wore

> Harald Hurst „Des elend schöne Lebe“, G.Braun Buchverlag Karlsruhe, 152 Seiten, 13,80 Euro

> Lesungen: 3.11. Stadthalle Maximiliansau Wörth am Rhein - I 1.12. Kulturscheune Ittersbach - 3.12. Bücherschau Karlsruhe mit Kuno Bärenbold und Gunzi Heil - 6.12. Kulturhaus Osterfeld Pforzheim mit Helmut Neerfeld (Akkordeon)

Lange mußten seine Fans auf das neue Buch von Harald Hurst warten . Aber das kennt man ja von dem größten Schriftsteller badischer Zunge. Er läßt sich halt Zeit mit dem Schreiben. Das ist schon recht so. Anfang November ist es jetzt endlich so weit: Der neue „Hurst“ kommt in den Buchhandel. „Des elend schöne Lebe“ heißt das Büchle (G.Braun Buchverlag), in dem sich der Hurst im bekanntem Format und in alter Form präsentiert. Etwas ist neu: Es ist, wie der Meister selbst sagt, „ä elend lange Gschicht“ drin, ein über 80 Seiten starkes Prosastück übers Verreisen und Dableiben, über Leute, die in der Weltgeschichte umherfahren und doch nicht vom Fleck kommen, kurzum über den Tourismus, halb essayistisch, halb erzählerisch, anekdotisch unterfüttert. Und das alles in Mundart. Wir sind gespannt. Zum Vorschmecken gibt es schon mal - mit freundlicher Genehmigung des Verlags - einen etwas kürzeren Text, in dem sich möglicherweise der eine oder die andere wiedererkennt - oder a net.


Landsmann

Er isch im Grund
ein geselliger Mensch
lieber Gott
er kann’s halt net so zaige
wenn Leut debei sin

der isch an sich
schon kontaktfreudig
nur net glei
mer spürt halt
es muss net unbedingt sei
bitte, es geht a so

er geht auf Mensche zu
aber des dauert
des dauert
und wenn se nimme do sin
wenn er auf sie zugeht
isch’s a recht
dann hat er wenigschtens sei Ruh

er hat Temperament
sogar beinah südlich
er lasst’s nur net raus
er fresst’s in sich nei
deshalb wirkt er von auße
so karlsruherisch g’mütlich


er hat eine Eselsgeduld
er guckt lang zu
bis es ihm langt
er isch halt tolerant
gut badisch liberal
des haißt
er winkt oft müd ab
mit seiner Rothändle-Hand:
Oh, macht was ihr wollt
so isch’s wore
des isch doch mir egal!

nur in Notfäll
wenn ihm de Krage platzt
reagiert er blitzschnell
nur zu spät
e bissl zeitversetzt
dass sich alles am Kopf kratzt
um Gottes wille
was hat er denn jetzt´
er schlagt alles z’amme
aus’m Stand
grad war er doch noch
so schön tolerant

er isch freiheitsliebend
querköpfig, aufmüpfig
ein Revoluzzer traditionell
vor der Obrigkeit
duckt der sich net
er bleibt lieber hocke
als Riesling-Rebell
die Gedanken sind frei

ob mer steht oder sitzt
ich hab so des G’fühl
mein lieber Landsmann
isch net aus dem Holz
aus dem mer Guillotinen schnitzt
besser Wirtshausstühl
wo mer g’mütlich sitzt

aber bitte
so ischt es nicht
er hat’s mol probiert
mit der Revolution
es isch lang her
s’war e traurige G’schicht
aber unser Stamm
isch heut noch stolz
die Lieder ziehe noch immer
durchs badische Gemüt
es hat nur net funktioniert
es war halt mehr
aus’m Affektstau raus
eine verzögerte Kurzschlussreaktion
die uns ähnlich sieht
ein Sauzorn im Ranze en
avant les bataillons!
Ideale im schwitzige Schädel
égalité fraternité liberté
aber null Organisation
sowas geht leicht
grandios in d’Hos


er hätt des Zeug
zum Revolutionär
wenn d’Kirch im Dorf blieb
wenn nachher alles
genau wie vorher
nur e bissl besser wär

er isch von Natur
ein bescheidener Mensch
badisches Understatement
sag ich nur
er will nie im Vordergrund stehe
er drängt sich lieber
nach hinne durch
aber so
dass es alle sehe

er isch leichtlebig
es fallt ihm nur e bissl schwer
Frankreich isch net weit
des luftige Savoir-vivre
hat de Wind über de Rhein getrage
mit Flammekucherauch vom Elsass her
es vertragt sich halt schlecht
mit dem Savoir-travailler
von seiner schwäbische Seit
er wird’s ums Verrecke net los
des hat er im Blut
des bleibt
dass er’s mit der Lebensfreud
net übertreibt



er fühlt sich
als deutscher Viertelsfranzos
oder noch besser
als badischer Elsässer
sowas gibt’s halt net
aber immerhin
er isch gottlob
net ganz so deutsch
wie’n Schwob
nur zum Verwechsle
verschiede

mein Landsmann isch so
wie ich ungefähr bin
er lebt gern
am Rand von dem Land
in de Näh von de Tür
halt so’n Kerl zwischedrin.