Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 11.2018
Theater, Comedy, Show Festivals

 

Festival Tanz Karlsruhe 2018

Alles in Bewegung > So viel choreografische Kompetenz wie in diesem Jahr vereinte das Festival Tanz Karlsruhe in den vergangenen 21 Ausgaben bisher wohl noch nicht. Drei der derzeit angesagtesten Handschriften, dazu eine Klassikerin des modernen Tanzes und drei aufstrebende Talente aus dem Tanzwunderland Israel - prall, spannend und hochkarätig kommt der vom 7. bis 25. November an sechs Orten stattfindende Tanzmonat daher. Auch in diesem Jahr werden Programmpunkte, die seit Jahren die Herzstücke der vom Kulturzentrum Tempel und der dort beheimateten Tanztribüne initiierten Tanzwochen weiter gepflegt. So stellt sich am Freitag, 09., und Samstag, 10. in der Scenario Halle wie gewohnt die regionale Tanzszene in der „Langen Nacht der kurzen Stücke“ vor, und am Montag, 19., sind an selber Stelle die Preisträger des internationalen Solo-Tanz-Theater Festivals zu erleben. Ein jüngerer Brauch von Tanz Karlsruhe ist das Angebot für Kinder: Am Sonntag, 18., gibt es um 15 Uhr mit „All You Can Dance / 2 + 2 = 4“ eine Mischung aus Aufführung, Workshop und Tanzparty für Kinder von 4 -10 Jahre von Nina Kurzeja.

Eröffnet wird Tanz Karlsruhe am Mittwoch, 7., im Tollhaus mit dem bereits 35 Jahre alten Tanzstück, das der damals blutjungen belgischen Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker den internationalen Durchbruch bescherte. Zum schnellen Pulsschlag absolvieren vier Tänzerinnen exakte Alltagsbewegung in virtuosen Wiederholungen, wobei eine furiose Musik die Entwicklung vom zarten Probieren zum aggressiven Fallen bis zur Erschöpfung befeuert. „Rosas danst Rosas“ (Foto) wirkt heute wie zu seiner Entstehungszeit atemberaubend. Zwei Wochen später, am 21., ist mit der Kompanie Wang Ramirez eine der gegenwärtig faszinierendsten Truppen an selber Stelle zu Gast. In „Borderline“ fliegen, schweben, hängen Performer wie an unsichtbaren Fäden in der Luft, um mit einer Mischung aus HipHop, zeitgenössischem Tanz, Ballett und Kampfkunst zu begeistern. Im ZKM gibt es am 14. und 15. ein Wiedersehen mit der britischen Gruppe Motionhouse, die mit „Charge“ wiederum eine spektakuläre multi-mediale Performance verspricht. Nicht weniger erwartungsvoll darf man am Samstag, 17., der Truppe GN|MC vo Guy Nader und Maria Campos entgegenblicken, die die Tanzszene mit einem überaus dynamischen Stil aufmischen. Seine unverwechselbare Bewegungssprache bringt der deutsche Choreografenstar Marco Goecke am Sonntag, 18., in eine „Dance/Jazz Fusion“ im ZKM Medientheater ein, wo das ausgezeichnete Ferenc und Magnus Mehl Quartett auf vier Tänzer vom Stuttgarter und vom Züricher Ballett trifft.

Gleich drei unterschiedliche Kompanien sind am Sonntag, 25., im Kulturzentrum Tempel an der europäischen Erstaufführung des Brazil/Israel Projects beteiligt, bei dem mit Orly Portal, Ofir Yudilevitch und Ella Rothschild aufstrebende israelische Choreografen mit den jeweils aus einem anderen Teil Brasiliens stammenden und einen anderen Stil und eine andere Kultur vertretenden Kompanien aus Porto Alegre, Curitiba und Natal arbeiten.

Entsprechend weitherzig wie sich der Name des Festivals seit zwei Ausgaben gibt, so offen ist das Programm nach allen stilistischen Seiten der von der Bewegung des menschlichen Körpers angetriebenen Kunstform, die vom klassischen Ballett über modernen Tanz und zeitgenössisches Tanztheater bis hin zu Breakdance und von lokalen kulturellen Traditionen geprägten Tänzen wie Flamenco, Tango und Stepptanz reicht. All dies findet sich im Programm von Tanz Karlsruhe, auch wenn bei den gezeigten Produktionen der Hang zum Blick von der Tradition über den Tellerrand hinaus spürbar ist. So trifft am Freitag, 23., die spanische Flamenco-Tänzerin Bettina Castaño auf den aus der Türkei stammenden Meistertrommler Murat Coşkun, dessen musikalisches Repertoire über mehrere Kontinente reicht, um ein musikalisch-rhythmischen Tanzfeuerwerk zu zünden. Was Deutsche, Italiener, Russen oder Chinesen rund um den Globus suchen, wenn sie in die sinnlich-erotische Atmosphäre des so leidenschaftlichen wie melancholischen argentinischen Tangos begeben, untersucht der Film „Tango zu Besuch“ von Irene Schüller, der als einer der beiden Filmbeiträge zu Tanz Karlsruhe am 23. und 24. im Studio3 der Kinemathek zu sehen ist. Auch wenn das Badische Staatstheater mit „Schwanensee“ am Samstag, 17., einen der beliebtesten Ballettklassiker überhaupt beisteuert, tut es dies mit Christopher Wheeldons frischem Zugriff, der bereits 2009 in Karlsruhe begeisterte und nun in einer Neueinstudierung zurückkommt. Wheeldons „Schwanensee"-Version basiert auf der klassischen Choreographie von Marius Petipa und Lew Iwanow aus dem Jahr 1895, führt aber durch eine Rahmenhandlung das klassische Repertoire an Bewegungen und Gebärden clever in die Gegenwart.