Mit den Simple Minds als einem der Top Acts werden in diesem Jahr beim Fest in der Günther-Klotz-Anlage Erinnerungen an 1997 wach, als die Schotten, deren Auftritt erst am Veranstaltungstag bekannt gegeben worden war, ein wahres Verkehrschaos in und um Karlsruhe auslösten. So voll hatte man die Klotze bis dahin noch nicht erlebt. Die damalige Verpflichtung war der Coup des langjährigen Fest-Leiters und Programmgestalters Rolf Fluh-rer, der die Weltstars mit einem Abendessen im Nobelrestaurant nach Karlsruhe gelockt hatte. Seit sechs Jahren bucht das Hauptbühnenprogramm des Fests ein Mann in Bonn. Klappe Auf unterhielt sich mit Fluhrers Nachfolger Holger Jan Schmidt, von dem in der Fächerstadt kaum einer weiß.
Sie spielen Gitarre, sie engagieren sich für Europa und den Umweltschutz, sie sind Gründer eines Festival-Dachverbandes, haben eine eigene Agentur, lange ein mit dem FEST oft vergli-chenes Festival in Bonn geleitet und buchen das Hauptbühnen-Programm für das FEST in Karlsruhe. Wie würden Sie ihre Berufsbezeichnung definieren?
Holger Jan Schmidt: Das ist eine gute Frage, auf die ich immer sage, ich habe einen Gemischtwarenladen, in dem aber alles mit Veranstaltungen und viel mit Festivals zu tun hat. Das Bild vom Eventmanager jedenfalls trifft es nicht, denn meine Schwerpunkte liegen neben der Musik eben im Sozialen und im Nachhaltigkeitsbereich.
Wie kam es, dass Sie das FEST-Programm zusammenstellen?
Schmidt: Als Leiter des R(h)einkultur-Festivals, das neben dem Fest lange Zeit das zweite ein-trittsfreie, große Festival in Deutschland war, bin ich seit Jahren mit Karlsruhe im engen Austausch und mit den Kollegen gut befreundet. Als es in Karlsruhe jemanden auf dieser Po-sition brauchte, lag es wohl nicht allzu fern, mich zu fragen, da es jemanden benötigt, der einer-seits über die entsprechenden Verbindungen in die Szene verfügt, aber auch die besondere Philosophie des Fests versteht.
Von Marteria bis zu den Simple Minds ist ein weites Feld, auf der FEST-Bühne aber manchmal nur eine Umbaupause dazwischen. Nach welchen Maßgaben gestalten Sie das Pro-gramm?
Schmidt: Grundsätzlich diskutieren wir alles und buchen niemanden, der in der Entscheiderriege keinen Grundkonsens findet. Die Topacts müssen natürlich eine gewisse Popularität mit-bringen und das orientiert sich dann stark auch an den anderen Festivals, die zwar kommerzieller ausgerichtet sein mögen, aber eben doch die Erwartungen der Festivalbesucher, die auch zum Fest gehen, prägen. Anders als andere haben wir jedoch die Möglichkeit, vielseitiger zu buchen und den Sonntag etwa familiengerechter zu gestalten und es am Freitag mehr rocken zu lassen.
Mit dem Bonner R(h)einkultur-Festival haben Sie viele Jahre ein erfolgreiches Festival geführt, das 2011 seine letzte Ausgabe hatte. Auch DAS FEST stand zeitweise vor dem Aus. Was war in Bonn anders als in Karlsruhe?
Schmidt: Es sind verschiedene Punkte, die sich nicht vergleichen lassen. So verbietet schon die Topografie der Bonner Rheinauen, einen Hauptbühnenteil einzuzäunen, um mit einem moderaten Eintritt eine gewisse finanzielle Sicherheit zu gewährleisten. Ein genereller Eintritt hätte nicht dem Charakter des Festivals entsprochen und auch das Fest funktioniert ja auf seine Art, weil 70 Prozent des Angebots weiterhin kostenfrei zu besuchen ist. Im Vergleich zum mehrtägigen Fest war die eintägige R(h)einkultur noch wetterabhängiger und anders als in Karls-ruhe war die Identifikation etwa der mittelständischen Wirtschaft mit dem Festival so nicht gege-ben. Am Ende war die Schere zwischen der großen Verantwortung, die wir zu tragen hat-ten, und dem, was wir herausbekamen, soweit auseinander, dass wir uns entschlossen ha-ben, aus freien Stücken die R(h)einkultur zu beenden.
Sie haben lange Jahre Erfahrung im Festivalbuchen. Hat sich das Geschäft mittelfristig verändert?
Schmidt: Das hat sich massiv verändert. Zu Beginn waren die Plattenfirmen wahnsinnig stark, weil die Künstler ihr Leben durch Plattenverkäufe bestreiten konnten. Dies müssen heute die Livekon-zerte ersetzen, was dazu führte, dass sich das Gagenniveau verdoppelt und verdreifacht hat und das geht an einem nahezu-Gratisfestival auch nicht spurlos vorbei. Außerdem gibt es viel mehr Festivals als noch vor 15 oder 20 Jahren, mit denen man um die Künstler konkurriert. Viele Festivals wollen ihre Bands exklusiv und sichern sich einen Gebietsschutz, was längst nicht nur für die Top Acts gilt. Andererseits gibt es inzwischen eine ganze Reihe einheimischer Künstler, die so ein Festival wie das Fest als Headliner spielen können. Für die ist die ganz besondere Atmosphäre auf dem Mount Klotz durchaus ein Argument, mit dem man sie locken kann.
Gibt es Wunschgruppen, die Sie bislang noch nicht für das FEST gewinnen konnten?
Schmidt: Nun, es gibt welche, die ich mir wünschen, aber niemals bekommen könnte. Zum Bei-spiel Mumford & Suns oder die Foo Fighters. Die würden uns aufgrund ihrer aufwändigen Shows technisch gewaltige Probleme bereiten, dabei haben wir über die Finanzen noch gar nicht gespro-chen, aber ein Traum wäre das schon.
In wieweit spielt beim Buchen persönlicher Geschmack eine Rolle und ist das heute eigentlich noch eine Herzenssache oder schlicht ein zu kalkulierendes Geschäft?
Schmidt: Eine Band, die ich überhaupt nicht leiden kann, werde ich auch nicht buchen. Aber man entwickelt über die Jahre auch eine gewisse Toleranz für den Geschmack des Publi-kums. Man darf nicht zu emotional rangehen, sondern muss einen Sinn für die Realität mitbringen. Aber bei gewissen Acts ist natürlich Herzblut im Spiel und es passiert immer noch, dass man abends zu Hause sitzt und sich freut, jawoll, das hat geklappt.