Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 11.2016
Theater, Comedy, Show Theater und Show

 

tanz karlsruhe

20 Jahre ist es her, dass das Kulturzentrum Tempel mit der Tanztribüne erstmals zu einem Tanz-Theater-Festival lud. Damals noch ganz klein, mit einer improvisierten Bühne aus Paletten, aber mit großem Enthusiasmus - immerhin schon mit 14 Vorstellungen an vier Junitagen und internationalen Gästen. Nach zwei Jahrzehnten feiert man schlicht unter dem Titel Tanz Karlsruhe und erstreckt sich über das ganze Stadtgebiet; vom angestammten Tempel im Westen bis zum Tollhaus im Osten. Dazwischen finden sich mit dem ZKM, der Kinemathek im Studio 3 und seit diesem Jahr neu dem Badischen Staatstheater weitere wichtige Veranstaltungsorte und -partner, die mehr und mehr auch eigene Programme beisteuern.

Geblieben ist übrigens die Zahl der Aufführungen, zu denen sich vier Filmabende gesellen. Doch erstreckt sich das Programm mittlerweile über knapp drei Wochen, in denen Tanz Karlsruhe rund 3000 Tanzfreunde anlockt. Tendenz steigend, auch wenn die meisten Veranstaltungsorte durch ihre Größe das Wachstum begrenzen. Ausverkauft heißt es schließlich am Ende bei schier allen Vorstellungen des Festivals.

Wenn der runde Geburtstag auch rundherum ein Grund zur Freude ist, verbot es das begrenzte Budget, sich zum 20. ein besonderes Präsent zu gönnen. Doch der gegenwärtige Stand des Festivals, der mittlerweile auch überregional Beachtung und Anerkennung findet, kann sich wahrlich sehen lassen. Schließlich signalisiert ja bereits der Titel äußerst vielseitige Aspekte des zeitgenössischen Tanzes. Von der regionalen Vielfalt der wieder - der großen Nachfrage wegen - zwei Mal programmierten langen Nacht der kurzen Stücke (11. und 12.) über die Preisträgeraufführung des internationalen Solo-Tanz-Theater Festivals 2016 (14.) und der als Scenario Battle – 2 vs. 2 betitelten Europäischen Breakdancemeisterschaft (19.) bis zur Ballroom Swing Night (27.) zum Mittanzen, Zuschauen und Zuhören wird alleine schon in der Scenario-Halle ein weites Tanzverständnis gepflegt. Dazu kommen an dieser Stelle noch drei sehenswerte internationale Gastspiele. Zur Eröffnung präsentiert sich am 9. mit Maya Gomez und Blenard Azizaj ein Tänzerpaar der Company von Sasha Waltz. Die beiden kehren an jenen Ort zurück, an dem sie sich vor drei Jahren, noch in unterschiedlichen Ensembles tanzend, ebenfalls bei der Festivaleröffnung kennen und lieben lernten. Am 23. kommt Hillel Kogans vielbeachtetes Tanzstück „We love Arabs“, in dem der israelische Tänzer mit seinem arabischen Kollegen Adi Boutrous provokant, selbstironisch und pointiert den Nahost-Konflikt ins Absurde führt. Seine deutsche Erstaufführung erlebt am 25. „Infaust“, eine dramatische Goethe-Paraphrase der italienischen Imperfect Dancers Company.


Nachdem Hans Traut von der Tanztribüne gemeinsam mit Sarah Kiesecker bei einer Volkstheaterproduktion des Badischen Staatstheaters mit Jugendlichen choreografierte, war die Zusammenarbeit des Tanz Festivals auch mit dem Staatsballett angebahnt. Für eine regelrechte Koproduktion indes war die Zeit für das langfristig disponierende Haus an der Baumeisterstraße zu knapp, so dass für dieses Jahr lediglich eine Ballettpremiere ins Festival integriert wurde. Dass es sich dabei am 19. mit dem 1832 in Paris uraufgeführten La Sylphide um das älteste noch erhaltene Ballett handelt, bedeutet freilich keine programmatische Kehrwende des Tanzfestivals, schließlich will man sich auch in Zukunft vor allem dem Neuen im Tanz widmen. Dafür stehen insbesondere die Vorstellungen im Medientheater des ZKM. Hier ist unter anderem am 18. die für Furore sorgende Schweizer Company Alias des brasilianischen Choreografen Guilherme Botelho zu sehen und am 20. erwartet das Festival mit der virtuos Video und Tanz verbindenden, britischen Formation Motionhouse und der deutschen Erstaufführung ihres Stücks „Scattered“ einen weiteren Höhepunkt. Sieben Tänzer, scheinbar inmitten unberührter Natur, stürzen sich im ZKM Medientheater in das Element Wasser.
Neben dem Staatstheater größte Spielstätte des Festivals ist das Kulturzentrum Tollhaus, wo in diesem Jahr zwei aufwändige Produktionen zu sehen sind. Am 10. kommt der spanische Weltstar Israel Galván, der als Revolutionär des Flamencotanzes gilt und in seinem von einem großen Musikensemble begleiteten Tanzsolo „Fla.Co.Men“ den traditionellen Tanz in seine Bestandteile zerlegt und neu zusammensetzt. Die Danza Contemporánea de Cuba bietet am 25. eine seltene Kombination aus glänzender Technik und hochenergetischer Hingabe. Die Kubaner kommen mit drei aufwändigen Tanzstücken nach Karlsruhe, bei denen sich wie in George Céspedes "Matria Etnocentra" bis zu 24 Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne bewegen.

Zwei Filme im Studio3 ergänzen das Festival: Zum einen Bess Kargmans einfühlsamer Blick auf sechs Teilnehmer des „Youth American Grand Prix“, einen der größten Ballett-Wettbewerbe der Welt, bei dem es für die junge TänzerInnen um eine Handvoll der besten Stipendien und Verträge der Welt geht (First Position - Ballett ist ihr Leben, 17. und 19.). Zum anderen Tomer Heymanns „Mister Gaga“ (22. und 25.) über den israelischen Choreografen Ohad Naharin, der mit seiner weltberühmten Batsheva Dance Company eine völlig neue Bewegungssprache schuf.

> Tanz Karlsruhe, 9. bis 27. November 2016, verschiedene Orte