Sage keiner, die große Politik würde sich nicht um das körperliche und seelische Wohl des kleinen Mannes respektive der kleinen Frau auf der Straße kümmern. Ab dem 1. Mai sind in Erfüllung einer EU-Richtlinie Schockbilder auf Zigarettenpackungen Pflicht. Gnadenlos wird ab sofort dem Zigarettenraucher in Ausübung seines Lasters vor Augen gehalten, welchen gesundheitlichen Gefahren er sich aussetzt mit detaillierten Aufnahmen von krebszerfressenen Lungen und Zungen, von Raucherbeinen und was es noch so an Scheußlichkeiten gibt, die der Nikotinmissbrauch mit sich bringen kann. Den Raucher, mittlerweile ohnehin eine verachtete Minderheit, die aus den öffentlichen Räumlichkeiten verbannt, zum Leben auf der Straße verdammt ist, wird so drastisch vor Augen gehalten, dass sie die Verdammten dieser Erde sind, Parias mit begrenzter Lebenserwartung und der Aussicht auf ein Ende mit Schrecken. Was soll das? Raucher leben nicht hinter dem Mond. Sie wissen, dass ihr Zigarettenkonsum nicht zur Perfektionierung ihres Körpers und zur Verlängerung ihres Lebens beiträgt, sie tun es trotzdem und leisten damit selbstlos, ohne irgendeine Form von Anerkennung dafür zu erhalten, einen Dienst an der Gesellschaft durch die horrend hohe Tabaksteuer und an den notorisch überlasteten Renten- und Krankenkassen durch ihr sozialverträgliches Frühableben, das habe ich im Lauf der vergangenen Jahrzehnte schon einige Male festgestellt. Aber richtig ist es trotzdem und widerlegt wurde es bislang auch nicht. Nur ein schwacher Staat hat es nötig, die ohnehin schon sozial ausgegrenzten, der Verachtung und der Missbilligung ihrer Mitbürger ausgesetzten Nikotinjünger, die mit jeder Zigarette, die sie anzünden, für ein wenig Licht in ihrem düsteren Dasein sorgen, die mit jedem Zug, den sie nehmen, ein Rauchopfer auf dem Altar ihrer eigenen Vergänglichkeit darbringen, kurzum diese Mühseligen und Beladenen auch noch mit Schockbildern zu traktieren. Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung, dem ich eher selten zustimme, hat festgestellt: „Der Staat greift zu Mitteln, die ihm nicht zustehen. Er benimmt sich wie ein Inquisitor, der dem Häretiker die Folterwerkzeuge vor Augen hält, um ihm zu zeigen, was ihn erwartet. Der Staat vergreift sich, wenn er seine Bürger der alltäglichen ästhetischen Dauerqual aussetzt.“ Außerdem lieber Staat, was willst du mit deinem Lieblingsprügelknaben, dem Raucher, nach dieser ultimativen Geschmacklosigkeit eigentlich noch anstellen, wenn dir gerade mal wieder zu den wirklich drängenden Fragen unserer Zeit keine Antwort einfällt. Kleiner Vorschlag. Wie wäre es mit einem Notwehrrecht für Nichtraucher gegenüber Rauchern. So könnte sich jeder, der einen rauchenden Mitmenschen, sei es mit der Faust oder auch mit einem massivem Gegenstand niederstreckt, eine Notwehrsituation geltend machen: „Herr Richter, er wollte sich gerade eine Zigarette anzünden.“ Bei Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung kann auch von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden. Eine weitere Möglichkeit der fortschreitenden Drangsalierung wäre auch die Klassifizierung und zugleich Ächtung von Zigarette, Zigarillo, Zigarre und Pfeife als biologische Waffe. Nach jüngsten Untersuchungen reicht es, sich im Dunstkreis eines rauchenden Rauchers aufzuhalten, um als Nichtraucher für alle Zeiten traumatisiert zu sein und dauerhafte Schäden an Leib und Lunge davon zu tragen. Das ist natürlich Quatsch, aber so malt sich halt die Welt im Kopf fanatischer Nichtraucher, die übrigens aufpassen sollten, dass sie nicht, nachdem der letzte standhafte Raucher seinen letzten Zug getan hat, auf einmal ohne ihr liebgewonnenes Feindbild auskommen müssen. Merke: Ohne Raucher gibt es auch keine Nichtraucher.