Die Nachwirkungen der letzten Landtagswahlen sind noch nicht abgeklungen. Die zweistelligen Wahlergebnisse der AfD erschweren die Regierungsbildungen in allen drei Bundesländern, in denen gewählt wurde, auch im Südwesten und das trotz recht eindeutiger Wahlsiege von Malu Dreyer und Winfried Kretschmann. Zur weiteren Verwirrung trägt auch noch bei, dass sowohl die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin als auch ihr baden-württembergischer Amtskollege sich als Unterstützer der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel präsentiert haben. Da die eine bekanntlich der SPD, der andere den Grünen angehört, könnte sich der Zeitgenosse, der mit dieser Flüchtlingspolitik nicht einverstanden ist, mit Fug und Recht die Frage stellen, welche Partei er nun eigentlich wählen soll, um dieses Missfallen auch als Stimmbürger zum Ausdruck zu bringen. Die CDU kann es wohl nicht sein, denn das ist - nur um das mal wieder ins Gedächtnis zu rufen – die Partei der Kanzlerin. Die CSU wählen geht nicht, außerhalb Bayerns. Was die um die Fünf-Prozent-Hürde herumtummelnde FDP von der Merkelschen Willkommenskultur hält, ist auch nicht eindeutig festzumachen. Bleibt als Alternative zur alternativlosen Politik der Kanzlerin die Alternative für Deutschland, aber die ist aus vielen Gründen nicht wählbar, das wird einem nahezu tagtäglich auf sämtlichen Medien vorgeführt. Die Wellen der Empörung und der Betroffenheit schlagen hoch nach fast jedem öffentlichen Auftritt eines hochrangigen AfD-Mitglieds und wenn Reporter es darauf abgesehen haben, zu beweisen, dass es sich bei der AfD um einen Haufen von Schmuddelkindern handelt, muss er einfach mit dem Mikrofon durch eine AfD-Versammlung gehen und schon hat er in Nullkommanix einen ganzen Strauß bornierter Aussagen und rassistischer Vorurteile eingesammelt. Die, mal mehr, mal weniger komische Heute-Show des ZDF hat in der AfD und ihrer Anhängerschaft einen absolut zuverlässigen Stofflieferanten. Aber selbst wenn man das alles abstreicht, was an der fatalen Außendarstellung der AfD der Voreingenommenheit der Berichterstatter geschuldet ist, bleibt genug übrig an schlagenden Argumenten, diese Partei nicht zu wählen. Ein Argument ist nur mal zum Beispiel die fast völlige Verengung der Programmatik auf ein Thema, zunächst auf die Eurokrise und nun auf die Flüchtlingsproblematik. Und gerade das macht schmerzhaft bewusst, woran es dieser Republik mangelt, an einer rechten Partei, die man guten Gewissens wählen kann. Ja, ja, ich weiß, es gehört zum guten Ton in linken Kreisen, auf den Begriff „rechts“ mit starken Abwehrreaktionen, Hautausschlag, Ekelgefühl zu reagieren. Das finde ich, der ich nie im Leben rechts gewählt habe, falsch und antidemokratisch. Eine Demokratie besteht doch nicht darin, dass alle einer Meinung sind. Es ist völlig legitim, der Meinung zu sein, dass es weniger Staat und weniger öffentlicher Fürsorge braucht, dass das nationale Interesse schwerer wiegt als internationale Verpflichtungen, dass Abtreibung eine Sünde ist und gleichgeschlechtliche Partner keine vollgültige Ehe eingehen können. Als die Frage der Homoehe gerade in aller Munde war, gab es einen einzigen CSU-Mann namens Nobert Geiss, der in ein paar Talkshows den Kopf hinhielt und nicht in der allgemeinen Gleichstellungseuphorie einstimmte, in der fast jeder genötigt war zu bekennen, dass er mit freudiger Zustimmung das Outing seines schwulen Sohnes entgegennehmen würde. Roger Willensem hat die Prinzipienfestigkeit des mittlerweile ausrangierten Konservativen gewürdigt, ohne in einer Sache seiner Meinung gewesen zu sein. Es gehört zur Crux der Linken, dass ihre zu Schau getragenen Argumente und ihre Lebenspraxis in verschiedene Richtungen weisen, universalistisch das Wohl und Wehe der ganzen Menschheit bedenkend, leben sie in der Regel ein Leben, in dem sie, wie alle anderen, auf ihren eigenen Vorteil und ihre Bequemlichkeit bedacht sind. Der Klimawandel ist zwar ganz furchtbar, aber deshalb muss man doch nicht gleich auf den Abenteuerurlaub in Australien oder die geräumige Familienkutsche verzichten. „Links denken, rechts leben“, hat das ein kluger Soziologe genannt. Die meisten Anhänger der Politik Merkels dürften froh darüber sein, dass ihre Empathie mit den armen Flüchtlingen keiner allzu großen Belastbarkeitsprobe ausgesetzt wird, sei es durch ein Flüchtlingsheim um die Ecke oder einen plötzlichen Überschuss an Ausländerkindern in der Grundschulklasse des eigenen Kindes. Dieses Auseinanderklaffen von Weltanschauung und Lebenspraxis, das übrigens auf alle nicht zutrifft, die sich tatkräftig in der Flüchtlingshilfe engagieren, ist beim Konservativen, beim Rechten, der ja keinen Hehl daraus macht, dass er den Mitmenschen nur bedingt über den Weg traut, dass er lieber BestehendeS bewahren als verändern möchte, weniger eklatant, aber natürlich auch vorhanden ist. Man denke nur mal daran, dass die Verlautbarungen der bayrischen Staatsregierung zur Merkelschen Flüchtlingspoltik nun nicht gerade von Herzenswärme gegenüber den Flüchtlingsschicksalen zeugen und dennoch der Freistaat Bayern bei der Aufnahme von Flüchtlingen mehr geleistet hat als jedes andere Bundesland. Eigentlich ist die CSU die rechte Partei, von der ich mir wünschen würde, sie würde bundesweit den Platz im demokratischen Parteienspektrum belegen, der dank Merkels Zug zur Mitte mittlerweile verwaist ist. Nicht um dann die CSU zu wählen, sondern um sie wählen zu können, wenn ich wollte. Das ist ein gewaltiger Unterschied, so groß wie der Unterschied zwischen „einer Meinung sein“ und „die Meinung des anderen respektieren“.