Auf mehreren Ebenen beschreibt dieser Roman, wie unterschiedlich Menschen mit Trauer, Schuld und Sühne umgehen. Im Vordergrund steht Michael, dessen Leben aus den Fugen geriet, nachdem seine Frau als Journalistin in Pakistan ums Leben kam. Als er Abstand zur Vergangenheit sucht und nach London zieht, freundet er sich immer intensiver mit einer Nachbarfamilie an, mit furchtbaren Folgen. Das Buch beginnt mit der Beschreibung, wie Michael das scheinbar leere Haus seiner Freunde betritt. Er will nur einen Schraubenzieher holen, doch die Leser erfahren jetzt schon, dass hier gleich etwas Schreckliches passiert. Doch dann erzählt der Autor bis zur Mitte des Romans die Vorgeschichte, in der außer dem Tod von Michaels Frau nur wenig Dramatisches passiert, der aber seine Spannung aus der Frage zieht, wie sich die Dinge bis zu dem Moment im Nachbarhaus entwickeln. Gerade aus der intensiv erzählten Vergangenheit baut sich dann der Sog der späteren Geschichte auf. Der Moment, in dem man erfährt, was mit dem Titel "I saw a man" ("Ich habe einen Mann gesehen") wirklich gemeint ist, trifft den Leser wie ein Schlag, sofern ihm andere Buchkritiken diese Überraschung nicht schon verraten haben. Diese Worte verbinden sich mit einem heutzutage sehr aktuellen, aber von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen Übel. Nun ist nichts mehr vorhersehbar, und die Schicksale aller Beteiligten treiben durch den Strudel der Emotionen. Sheers braucht keine Action, keine Gewalt, keine schrille Sprache. Mit leisen Tönen lässt er seine Figuren in den Abgrund aus Lügen und Geheimnissen treiben. -gk > DVA, 304 Seiten, 19,99 Euro oder als eBook 15,99 Euro