Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 06.2006
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Buchhandlungen unter Druck

Das Buch ist ein doppeltes Ding, einerseits ist es Ware, andererseits ist es Kulturgut. Die Buchpreisbindung, das heißt, dass ein Buch in der Regel überall, beim kleinen Händler, im großen Kaufhaus oder auch über das Internet den selben Preis kostet, und die ermäßigte Mehrwertsteuer sind Zeichen des besonderen Schutzes, den das Buch staatlicherseits genießt. Dennoch ist um seine Verbreitung ein Prozess in Gang gesetzt, der zu einer dramatischen Verarmung des zugegebendermaßen mit jährlich über 80.000 Neuerscheinungen derzeit noch aüßerst üppigen Angebots führen könnte. Johannes Frisch sprach für die Klappe auf mit Paul Kaufmann, dem Inhaber der Stephanus Buchhandlung sowie zwei weiterer Karlsruher Buchhandlungen und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Buchhändler.

Herr Kaufmann, der Bucheinzelhandel verzeichnet Umsatzsteigerungen und der Börsenverein verkündete im Frühjahr hoffnungsvollen Optimismus unter den deutschen Buchhändlern. In Karlsruhe schloss kürzlich eine Traditionsbuchhandlung auf der Kaiserstraße ihre Tore und die Stimmung der Karlsruher Buchändler scheint alles andere als hoffnungsfroh. Was scheint in Karlsruhe anders als in der übrigen Republik´ Wie ist die Situation´

Kaufmann: Verbände sind immer sehr schnell dabei, solche Schwankungen überzubewerten. Nach einem sehr schlechten Jahr gab es zwar wieder ein leichtes Umsatzplus, gleichzeitig sind aber alle Kosten gestiegen. Als ich nach Karlsruhe kam, gab es alleine auf der Kaiserstraße zwischen Europaplatz und Marktplatz vier inhabergeführte Buchhandlungen, heute ist es gerade noch eine. Eine einschneidende Veränderung für den Karlsruher Buchhandel war zuletzt die Eröffnung der 2000 Quadtratmeter großen Thalia-Filiale am Ettlinger Tor, die allen anderen Umsatzeinbußen bescherte. Thalia gehört zur Unternehmensgruppe der Douglas-Parfümerien und verfolgt derzeit intensiv das Ziel, in allen Großstädten flächendeckend vertreten zu sein. In Kürze will nun Thalia im bisherigen Hammer & Helbling auf der zentralen Kaiserstraße ein weiteres 3000 Quadtratmeter großes Buchkaufhaus eröffnen. In anderen Städten wie Darmstadt oder Gießen hat diese aggressive Expansionspolitik in der Regel dazu geführt, dass alteingesessene Buchhandlungen vom Markt gedrängt wurden und verschwanden. Dies führt dann unter anderem auch zu einer fortschreitenden Arbeitslosigkeit unter Buchhändlern, da die Thalia-Läden mit einem Drittel des branchenüblichen Personals gefahren werden. Mit dem Aufgeben der inhabergeführten Unternehmen vollzieht sich ein weiterer Schritt der traurigen Uniformisierung der Innenstädte, die überall von den gleichen Filialisten geprägt sind.

Was bedeutet dieser Konzentrationprozess hin auf wenige große Filialisten für die Kunden und Leser´

Kaufmann: Ganz abgesehen von der Beratung ist es eine Illusion, zu glauben, bei Thalia fände man eine breite Auswahl. Ein Buchkaufhaus ist zwar riesig, bietet aber trotz enormer Stapelware eine relativ geringe Auswahl an Titeln, die lediglich den sogenannten Mainstream repräsentieren. Man wird hier selten eine Entdeckung machen oder auf etwas Außergewöhnliches stoßen. Es gibt auch Beispiele, dass dieser Großabnehmer versucht, auf die Verlage Einfluss zu nehmen und exklusive Sonderkonditionen zu erreichen. Die Verlage wiederum schmälern ihr Angebot, da es wenig Sinn ergibt, Bücher herauszubringen, die diese Kette gar nicht im Angebot führt.

Mit welchen Strategien können kleinere und mittlere Buchhandlungen ihre Position sichern´

Kaufmann: Dagegensetzen kann man Beratung, Spezialisierung des Sortiments, Serviceleistungen und Öffentlichkeitsarbeit. In den vergangenen beiden Wochen haben wir zusammen mit der Literarischen Gesellschaft Lesungen durchgeführt, zu denen insgesamt über 2000 Menschen kamen. So etwas kommuniziert unsere Kompetenz auf diesem Gebiet. Aber da muss jede Buchhandlung ihre eigene Konzeption finden.

Inwiefern verändert das Internet das Buch als Medium´

Kaufmann: Als aktuelles Informationsmedium haben das gedruckte Buch und die Fachzeitschrift sicherlich an Bedeutung eingebüßt. In Belletristik, Kinderbuch oder Reiseliteratur jedoch gibt es keine Alternative zum Buch.

Dass Bücher massenweise an die Frau und den Mann gebracht werden können, beweisen die von der Erfolgsedition der Süddeutschen Zeitung (SZ) ausgehenden äußerst preiswerten Bestseller-Publikationen der Zeitungsverlage. Welche Auswirkungen hat dies auf den Büchermarkt insgesamt´

Kaufmann: Nicht alle dieser Reihen sind wirklich erfolgreich. Die anspruchsvollen wie die der SZ oder der Brigitte haben jedoch nicht selten dazu geführt, dass durch einen Band aus dem Blickfeld geratene Autoren wie Juan Carlos Onetti plötzlich wieder wahrgenommen wurden, auch mit ihren anderen Büchern.

Inwiefern hat sich das Leseverhalten der Menschen in den vergangenen Jahren verändert. Welchen Stellenwert genießt etwa das politische Buch´ Welche Rolle spielt anspruchsvolle Literatur´

Kaufmann: Wenn ein Daniel Kehlmann über 600.000 Bücher verkauft und in den Bestsellerlisten statt der üblichen Krimis ganz oben rangiert, oder im Sachbuchbereich Bastian Sicks “Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod” überaus erfolgreich ist, kann man derzeit auf eine sehr erfreuliche Momentaufnahme blicken, die einen Trend zur anspruchsvollen Literatur belegt und beweist, dass die Leser daran interessiert sind, sich mit zentralen Fragen auseinanderzusetzen. Der Buchhandel ist ein sehr sensibler Bereich, der als Spiegelbild der gesellschaftlichen Diskussion fungiert. Momentan sind Veröffentlichungen zu den Themen “Korruption” und “Selbstverständnis der Demokratie” gefragt. Manchmal ist es auch ein Buch, das eine gesellschaftliche