Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 06.2015
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Unterschätzte Kinemathek

Die Kinemathek Karlsruhe braucht mehr Geld, 50000 Euro mehr pro Jahr von der Stadt, dazu 25000 Euro Komplementärförderung vom Land. Das sind eigentlich keine Summen, die Kommunalpolitikern schlaflose Nächten bereiten sollten, schon gar nicht in einer Stadt, die über sprudelnde Steuereinnahmen verfügt und gerade dabei ist ganz andere Geldbeträge in ihre eigene Geburtstagsparty zu stecken. Mit wesentlich bescheideneren Mitteln hat die Kinemathek vor einem Jahr ihren vierzigsten Geburtstags gefeiert. Nach schüchternen Anfängen hat sich das quasi-kommunale Kino, das lange Zeit im Souterrain des Prinz-Max-Palais untergebracht war, in kurzer Zeit zu einer festen und verlässlichen Größe im Kulturleben der Stadt gemausert.

Die Kinemathek bot und bietet nicht nur ein Kinoprogramm abseits des Mainstreams, sie ist auch immer wieder der kompetente Partner für andere Institutionen in Sachen Film, siehe allein in diesem Halbjahr die Italienische Filmwoche, Cinema Afrika, das Filmprogramm zu den Frauenperspektiven, die Premiere des Handicap-Festivals... In diesem Monat kommen noch hinzu das Dokumentarfestival (Dokka) und Cinefete. Vom profunden Beitrag, den die Kinemathek zu den Europäischen Kulturtagen beisteuert, und den alljährlich stattfindenden Lesbisch-Schwulen Filmtagen gar nicht zu reden. Das Problem der Kinemathek ist nur, dass der Glamour-Faktor dieser Aktivitäten nicht sehr groß ist. So stießen der Kinemathek-Chef Alfred Meyer und seine beiden Getreuen Inka Gürtler und Michael Endepols bei den Gemeinderatsmitgliedern mit der Forderung nach mehr Unterstützung auf taube Ohren und sahen sich im Gegenteil auch noch mit der Forderung an sie selbst konfrontiert, doch öffentlich stärker sichtbar zu werden und ein Marketingkonzept zu erstellen. Doch wie soll das gehen mit den knapp bemessenen finanziellen Mitteln - Plakate kosten Geld, Anzeigen kosten Geld, ein brauchbares Marketingkonzept kostet noch mehr Geld - und den bescheidenen personellen Ressourcen.

Das altgediente Leitungstrio wird seit Jahr und Tag auf nomineller Halbtagsbasis bezahlt, billiger geht es nicht, und für die Helfer, die man braucht, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, gilt seit diesem Jahr der gesetzliche Mindestlohn. Da schmelzen die Zuschüsse von insgesamt 173 000 Euro im Jahr dahin wie Schnee in der Sonne, zumal die 23000 Euro von der MfG überwiegend den Stummfilmtagen und dem Dokumentarfestival zu Gute kommen, die ohne die Kooperation mit der Kinemathek gar keinen Zuschuss von der MfG bekommen würden.

Den proklamierten Mehrbedarf hat Alfred Meyer nicht aus dem Ärmel geschüttelt. Er wurde festgestellt in einem Gutachten, das man auf Anregung des Kulturamts beim Ludwigsburger Institut für Kulturmanagement in Auftrag gegeben hat. Darin wird der Kinemathek bescheinigt effektiv zu arbeiten und ein qualitativ hochwertiges Programm zu bieten, das das „kulturelle Gesamtportfolio der Stadt“ bereichere. Das nehmen offenbar die Gemeinderäte, von denen die meisten das Kino der Kinemathek, Studio 3 in der Kaiserpassage, nie betreten haben, nicht recht wahr.
Im Gemeinderat herrscht wohl die Ansicht, dass die Kinemathek durch den Umzug in das Kurbel-Kino in der Kaiserpassage genug Unterstützung erfahren habe und nun mal ordentlich loslegen könne. Tatsache ist aber, dass die erwünschten Synergieeffekte durch den Mitnutzer und Untermieter des Hauses, die Kurbel-Filmtheater-Genossenschaft, nicht eingetreten sind und dass auch die Zuschauerresonanz im neuen Haus etwas unter den Erwartungen geblieben ist. Aber vielleicht sollte der Gemeinderat die Arbeit nicht an einem Sollzustand, sondern am Istzustand messen und der ist immer noch präsentabel.

Die Kinemathek macht, außer Montags, ein volles Programm das ganze Jahr über, ohne Sommerpause, und bietet dabei auch immer wieder mehr als „nur“ Filmvorstellungen. Gäste und Referenten bereichern das Programm um Vorträge und Diskussionen. Im Studio 3 sind Filme aus zahlreichen Ländern in Originalsprache (mit Untertiteln) zu sehen, darunter auch Filme aus Asien, Afrika, Osteuropa, die im gewerblichen Kinoprogramm gar nicht vorkommen. Das Publikumspotential, das darin liegt in einer wachsenden, zunehmend multikulturellen und mehrsprachigen Stadt ist noch gar nicht ausgeschöpft. Ein Einfrieren der knappen Mittel wäre nicht nur in dieser Hinsicht kontraproduktiv und verhindert zudem die Lösung der Nachfolgefrage, die sich in gar nicht so ferner Zukunft stellt. „Ich bin 64“, sagt Alfred Meyer: „Lange mach ich das nicht mehr“ . Seine Mitstreiter sind nicht wesentlich jünger. Qualifizierte jüngere Leute dürften beim jetzigen Stand der Dinge wenig Neigung verspüren in ihre Fußstapfen zu treten. Ein Ende der Kinemathek hätte allerdings negative Folgewirkungen für die Kurbel, für das Dokka, für die Lesbisch-Schwulen Filmtage, für die Europäischen Kulturtage, für die Stummfilmtage....

Die 50 000 Euro, die die Karlsruher Stadtpolitik sparen will, könnten dem Kulturleben Karlsruhes teuer zu stehen kommen. – ko