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Archiv: 05.2006
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Verfilmte Geschichte

Bild - Verfilmte Geschichte
Geschichte - das ist Vergangenheit und die lässt sich nun mal nicht ändern. Was geschehen ist, ist geschehen. Basta! Die Historiker können allenfalls nachgetragene Erklärungen dafür abliefern, warum die Geschichte so und nicht anders gelaufen ist.
Das ist unbefriedigend, besonders dann, wenn in der Vergangenheit etwas so gründlich schief gelaufen ist, dass das Vergangene seinen Schatten auf die Gegenwart wirft. Man kann die Augen davor verschließen, wie es zum Beispiel die Türkei im Falle des Massenmords an den Armenier tut, oder sich damit beschäftigen, in der Absicht Lehren und Konsequenzen für die Gegenwart und die Zukunft daraus zu ziehen. Das machen die Deutschen, nach anfänglichem längerem Zaudern und mehr oder minder erfolgreichen Verdrängungsversuchen, in den letzten Jahrzehnten mit bekannter Gründlichkeit.
Die Bücher und Filmdokumentationen über das „Dritte Reich“ sind kaum noch zu zählen und könnten ganze Bibliotheken füllen. Aber das ist nicht der Stoff, den das Volk braucht, um sich in der eigenen Geschichte zu Hause zu fühlen, erst in der romanhaften Darstellung, sei es in der Literatur oder im Film, findet die Vergegenwärtigung von Vergangenem statt, stellt sich so etwas wie Zeitgenossenschaft im Ungleichzeitigen her. Leider ist es dabei ganz und gar nicht auszuschließen, dass man sich dann auf Augenhöhe mit Pappkameraden befindet, dass der Blick in die Vergangenheit sich täuschen lässt von einer kunstfertig ausgepinselten Kulisse, in der allenfalls das Dekor stimmt und oft genug nicht einmal das.
Der Büchermarkt wird schon seit einigen Jahren überschwemmt von so genannten historischen Romanen; in den meisten davon ist die Historie nicht mehr als fadenscheiniger Rahmen für eine Liebes- und/oder Abenteuergeschichte mit Figuren, die zur Identifikation einladen. Ziel dieser Romane und auch der entsprechenden Filme und Fernsehfilme ist es das Gefühl der Fremdheit und der Distanz zu einer vergangenen Epoche so schnell wie möglich zu überwinden, den Leser und Zuschauer das heimelige Gefühl zu vermitteln, dabei zu sein und die Zeichen der Zeit, die nicht die seine ist, deuten zu können, wie ein Zeitreisender, der auf wundersame Weise nicht nur das nötige Kleingeld, sondern auch noch die passenden Worte parat hat.
Dabei verändert sich die eigene Sprache im Wandel der Zeiten , und allein schon dass ein Naziführer „angesagt“ sagt, wie im Film „Napola“ geschehen, nährt Zweifel daran, dass die Macher des Films sich hinreichend mit ihrem Thema und dem Zeithintergrund befasst haben, Die Behandlung der NS-Zeit im Spielfilm ist ohnehin ein weites Feld, das eine eigene, sehr ausgiebige Betrachtung wert wäre. Aber eine kleine Frage noch: Wann hat es eigentlich je einen Film gegeben, dessen „Held“ ein bekennender Nazi ist´. Die Nazis, das sind in solchen Filmen immer die anderen, die Antagonisten und nicht die Protagonisten. Ob das den rechten Zugang zu einer Ära verschafft, in der die Nazis, die großen und die kleinen, in jeder Hinsicht das Geschehen bestimmten´
Sicher ist aber, dass die Nachgeborenen weitaus bereitwilliger die Opfer- als die Täterrolle annehmen. Man kann einen Film wie „Dresden“ nicht einmal vorwerfen, dass er Geschichtsklitterung betreibt, zumal er ohnehin zu den besseren Beispielen verfilmter Geschichte zählt, aber er entkommt nicht der Crux dieses Genres, das immer auch so etwas wie die Sinngebung des Sinnlosen betreibt, in den meist frei erfundenen Geschichte aus der Geschichte wird die weltgeschichtliche Katastrophe zur Folie menschlicher Bewährung, da zeigt sich, wer ein Mann ist und wer eine Memme, da finden Liebende zueinander (in diesem Fall eine deutsche Krankenschwester und ein britischer Bomberpilot), deren Lebenswege sich normalerweise nie gekreuzt hätten. Am Ende ist es so, als spräche der Film, trotz aller Mühe den Fakten gerecht zu werden, ein „Heile, heile Segen“ über eine unselige Geschichte. Was diese ZDF-Produktion genau so wenig leistet wie die entsprechenden Erzeugnisse aus dem Hause Teamworx, das gerade eine Geschichte über die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg in der Mache hat, ist die Umsetzung eines massenhaften Geschehens in eine mehrstimmige Erzählweise, die zumindest versucht die Totalität der Ereignisse widerzuspiegeln.
Mit den altbekannten Mustern der Familien- und Liebesgeschichte begibt man sich auf Quotenfang. In „Die Luftbrücke“ findet sich dieselbe Dreieckskonstellation wie in „Dresden“ und in dem RTL-Zweiteiler „Sturmflut“ über die Hamburger Flutkatastrophe aus dem Jahre 1962 wird sogar der Eindruck vermittelt, die Flut hätte es ganz speziell auf die zwei Familien abgesehen, die im Mittelpunkt der Handlung stehen. Aber eine Flutwelle, die sich durch eine Häuserflucht wälzt und eine Hochzeitsgesellschaft bedroht, ist nun mal spektakulärer als mählich steigendes Wasser, das ein Arbeiterviertel unbewohnbar macht. In „Die Luftbrücke“ werden auch die US-Soldaten, die für die Versorgung von West-Berlin aus der Luft sorgen, von deutschen Schauspielern dargestellt, die in ihren Rollen Deutsch sprechen.
So verschwimmen die Unterschiede zwischen Besatzern und Besetzten bis zur Unkenntlichkeit und manch anderes auch. Muss man denn Geschichte dermaßen einebnen, leicht begehbar, barrierefrei und übersichtlich machen, dass auch noch der dümmste Zuschauer sich darin zurecht findet´ Ein gewisses Maß an Ähnlichkeit sollte das Konstrukt, mit dem, was es darstellen soll, schon haben, sonst kann man es gleich bleiben lassen.
Und noch etwas: Gar zu behaglich sollten sich die Deutschen in ihrer Geschichte nicht einrichten. Es gehört sich einfach nicht.