45 Jahre - und kein Grund zu feiern? > Als sich im Herbst 1969 in einem Bierlokal Karlsruher Jazzbegeisterte zur Gründung des Jazzclub Karlsruhe zusammenfanden, war das zwar längst nicht der erste Jazz, der in der Fächerstadt geblasen wurde. Aber damals wurde der Grundstein eines der renommierten Jazzclubs der Republik gelegt, der seine ebenso glorreiche wie wechselvolle Geschichte in einem Kellerlokal in der Lessingstraße 70 begann. Die Aufzeichnung seiner Geschichte und seiner Vorgeschichte, die bis in die ersten Nachkriegsjahre zurückreicht harrt immer noch ihrer fundierten Aufarbeitung, und die Zeit drängt, weil die Zeitzeugen jener frühen Tage, so sie noch Jazz genießen können, mittlerweile recht betagt sind.
Zwar weiß der Karlsruher Jazzclub gegenwärtig kaum, ob und wo er in nächster Zukunft eine dauerhafte Bleibe haben wird, doch wollen die Karlsruher Jazzer den „halbrunden” Geburtstag nicht verstreichen lassen, ohne den Jazzfans in Karlsruhe und der Region einen Leckerbissen zu servieren. Vorfreude herrscht auf das große Jazzfestival, mit dem der Club am 4. Oktober die verschiedenen Räume des ZKM bespielen wird. Dass dabei Erinnerungen an die legendären Schauburg-Feste wach werden können, ist nicht ganz zufällig, nur dass diesmal neben der lokalen Prominenz auch internationale Jazzstars aufgeboten werden.
Auf drei Bühnen werden an diesem langen Abend unterschiedliche Jazzgeschmäcker bedacht. So gibt es im Medientheater mit der aufstrebenden belgischen Formation Okon & The Movement, dem Projekt „Souls” des gefeierten schwedischen Saxophonisten Magnus Lindgren, dem auch die Sängerin Rigmor Gustafsson angehört, sowie der Band des Nils-Landgren-Funk-Unit-Gitarristen Andy Pfeiler betont funkig-knackige Grooves. Swingend sind die Rhythmen, die die Bands in der Musiklounge auf dem Balkon des ZKM-Foyers anschlagen. Vom Harald Schwer Quintett mit Dizzy Krisch und einem “Tribute to George Shearing” über das Saxophonquartett mit Bass Der 5. Mann und die neuformierte Peter Lehel ElectricBand bis zum Viviane de Farias Quintett reicht hier der bunte Reigen, der mit jazzigen Remixen auf den Tellern des DJ Oli Fischer ausklingt.
Dass sich der Jazz ohne seine Experimentierfreude sicherlich nicht so lange frisch und jung gehalten hätte, lässt sich im ZKM-Kubus an drei sehr unterschiedlichen Beispielen erahnen, die für die freieren Spielarten des Jazz stehen und die Brücke von der Karlsruher Jazzgeschichte in die Gegenwart der weiten Jazzwelt schlagen. Als sich 1983 Helmut Dinkel, Rudolf Theilmann und Johannes Frisch erstmals auf der Jazzclub-Bühne zusammenfanden, war schnell vom „bedeutendsten Ensemble der Karlsruher Jazzszene” die Rede. Das war nicht verwunderlich, war die ab 1985 zumeist mit Dauergast Helmut Bieler-Wendt auftretende Formation doch in die Fußstapfen der Formationen Modern Jazz Quintett Karlsruhe und Fourmenonly getreten, mit denen Schlagzeuger Theilmann seit den 60er Jahren europäische Free Jazz-Geschichte mitgeschrieben hatte. Mit Theilmann ist in diesem Quartett überdies ein Musiker zu erleben, der mehr als ein Vierteljahrhundert als Programmgestalter dafür sorgte, dass der Karlsruher Jazzclub bundesweit einen hervorragenden Ruf als Hort des zeitgenössischen Jazz genießt.
Als frisch US-amerikanisch eingebürgerter, schlagzeugspielender Exil-Kölner kommt ##fJochen Rueckert mit seinem Quartett nach Karlsruhe. An seiner Seite hat er drei absolute Könner der Jazzszene New Yorks, wo Rueckert seit 1995 lebt, voran der Saxofonist Mark Turner, mit dem der Schlagzeuger seit bald zwei Jahrzehnten zusammenspielt. Led Bib schließlich gehören zu den Fackelträgern der jungen britischen Jazzszene. Stilistisch bewegt sich das 2003 vom Schlagzeuger Mark Holub gegründete Quintett zwischen swingendem Post-Bop, Free Jazz und Anleihen bei Spielarten des Neo-Prog und Noise Rock. Filme aus dem jazzigen Schwarz-Weiß Zeitalter komplettieren das erste große Karlsruher Jazzfestival seit vielen Jahren.
> Fr 4. Oktober 2014, 18 Uhr, ZKM, Karlsruhe, Lorenzstraße 19, Vorverkauf über www.jazzclub.de