„Gute Geschichten zu finden, die wir mit unseren Mitteln auf die Bühne bringen können“, bezeichnet Ingmar Otto als das oberste Ziel seiner Spielplangestaltung.
„Für uns geht es in der neuen Saison vor allem darum, das Bespielen zweier Bühnen zum Normalbetrieb werden zu lassen“, sagt der Intendant des Karlsruher Kammertheaters, der seit der vergangenen Saison mit dem K2 in der Kreuzstraße und dem Hauptsitz in der Herrenstraße künstlerischer Herr über zwei Häuser ist. Da ist weniger ein spielzeitübergreifendes Motto gefragt, als die geeignete Mischung, die neues Publikum erschließt, ohne den Stamm der Besucher zu vernachlässigen. Jüngere Gesichter im Parkett sind gerade auch deshalb gefragt, weil es für die Kulturhäuser in der Innenstadt derzeit gilt, die Baustellensituation zu meistern: „Aus Gesprächen mit dem Publikum wissen wir, dass vor allem ältere Theatergänger fürchten, dass sie nicht mehr so bequem zu uns kommen“, sagt Otto, eine Befürchtung, die freilich tatsächlich nicht begründet sei. Otto kann der immensen Bautätigkeit in der Karlsruher City etwa durch die Aufwertung des nahen Friedrichsplatzes sogar positive Seiten abgewinnen. Keinesfalls möchte er eine lähmende Passivität aufkommen lassen, damit die Innenstadt in der mittelfernen baustellenfreien Zukunft dann nicht von aller Kultur verlassen ist.
Fündig auf der Suche nach einer guten Geschichte wurde Otto auf alle Fälle mit einem Stoff, der unter dem Titel „Rain Man“ mit Tom Cruise und Dustin Hoffman in den 80er Jahren zum Kinoschlager wurde. Er handelt von dem auf reiches Erbe hoffenden und stattdessen mit einem autistischen Bruder konfrontierten Charlie Babbitt. Bereits in der vergangenen Spielzeit hatte die Theaterfassung am Kammertheater herauskommen sollen, war jedoch mangels geeigneter Besetzung erst einmal auf Eis gelegt worden. Jetzt gibt Richy Müller, der als „Cyrano“ den ersten grandiosen Erfolg der neuen Kammertheater-Ära erspielt hatte, den „Rain Man“, der am 11. Oktober im Kammertheater Premiere hat, in der Regie von Christian Nickel, der auch den „Cyrano“ verantwortet hatte.
Währenddessen laufen in der zweiten Spielstätte K2 noch bis zum 24. Oktober die Proben für die erste große Musicalproduktion der Kammertheater-Saison auf Hochtouren. „Willkommen, Bienvenue, Welcome ...“, mit dem Broadway-Musical „Cabaret“ kommt ein Kultstück der Sparte nach wenigen Jahren erneut nach Karlsruhe. Otto, der hier selbst inszenert, will der im Berlin der 1920er Jahre spielende Handlung jede Musealität nehmen: „Für die jungen Menschen haben die Bilder aus jener Zeit ihre emotionale Schlagkraft eingebüßt, doch sind wir aktuell mit rechtspopulären und menschenverachtenden Strömungen und Bewegungen viel stärker konfrontiert, als uns lieb sein kann. Im Grunde geht es in diesem Stück um nichts anderes, als darum, zur Zivilcourage herauszufordern.“ Für seine Inszenierung hat Otto nicht nur ein sehr musikalisches Ensemble zusammengestellt, in dem jeder mindestens ein Instrument mit auf die Bühne bringt, sondern das auch in Hautfarbe und Herkunft bunt gemischt ist, was die Aktualität der von mitreißenden Melodien nur so strotzenden Vorlage hervorheben soll.
Von der klassischen Boulevardkomödie mit dem Pionier der TV-Comedy Hugo Egon Balder über die Fortsetzung der Daniel-Glattauer-Erfolgsliebesgeschichte „Gut gegen Nordwind“ und die Wiederaufnahme der dauerbrennenden „Rocky Horror Picture Show“ bis hin zu einem Livehörspiel nach dem Filmklassiker „King Kong“ mit den Stars der SWR 3 Live Lyrix ist das Kammertheater-Programm der kommenden Monate breit gefächert und prall genug, um mit anspruchsvoller Unterhaltung noch weitere Publikumskreise als bisher ins Kammertheater zu locken.