Faszinierendes Figurentheater-Festival
Do 28.02. bis So 03.03. 2013: Es könnte die beste aller bisherigen marottinalen werden. Auch 2013 gibt sich der Jahreshöhepunkt des Karlsruher Figurentheaters als kleines, interessantes Festival, das an einem langen Wochenende auf ein Genre neugierig macht, das beileibe nicht nur Kindern Freude bereitet: Das Figurentheater in unterschiedlichsten Ausprägungen mit und ohne Puppen.
„Besonders ist, dass in diesem Jahr sämtliche Kinderstücke von Frauen gespielt werden“, erzählt Thomas Hänsel. Hat dies einen bestimmten Grund? „Nö“, räumt der Mitbegründer und Leiter der marotte, „aber als ich das fünfte Stück gebucht hatte, meinte meine Frau, das sind ja alles Frauen. Da haben wir gesagt, okay, starke Frauen spielen starke Stücke. Es gibt im Moment eben viele tolle Produktionen, die von Frauen entwickelt und gespielt werden“. Verbunden damit sieht Hänsel eine Tendenz zu anspruchsvollen und tiefer gehenden Themen wie Gewalt in der Familie oder der Suche nach dem Glück, die sich wie ein roter Faden durch das diesjährige Programm der marottinale zieht. Für Puppenspielerin Friederike Krahl ist das achte zumindest auf dem Papier das beste Programm der bisherigen Festivals.
Eröffnet wird die achte marottinale am 28. allerdings von zwei Männern. Nämlich den beiden Schauspielern Samuel Kübler und Stefan Wiemers vom Freiburger Cargo Theater, das mit „Der große Coup“ einen Slapstick-Theater-Krimi zeigt, der wiederholt ausgezeichnet wurde. In schnell geschnittenen Sequenzen, in rasanten Orts- und Perspektivwechseln werden hochkonzentrierte Einbruchszenen, spannende Verfolgungsjagden und Rettungsaktionen in letzter Sekunde gespielt. „...Man weiß kaum, worüber man sich mehr freuen soll, über den gut gemachten Slapstick oder über den Witz, mit dem die Geschichte umgesetzt wird. Beste Unterhaltung...“, attestierte eine Kritikerin den beiden. Dabei braucht es auf der Bühne nichts als zwei Schauspieler und ein paar Schachteln. „Auch wenn die beiden natürlich klar vom Schauspiel herkommen, ist ihr faszinierender Umgang mit den sehr reduzierten Mitteln, von der anderen Seite aus betrachtet, großes Objekttheater“, freut sich Hänsel über die Verpflichtung der grenzgängerischen Kollegen.
Ans Eingemachte geht es im Abendstück am 1. März, wenn mit Dirk Vittinhoff, Armin Kopp und Philippe Nauer Gäste aus der Schweiz ihr Stück „Jenseits von Gut und Böse“ nach dem dänischen Kinofilm „Adams Äpfel“ zeigen. Für Hänsel ist es die große Qualität dieser unter die Haut gehenden Produktion, einen perfekten Film in einer völlig eigenständigen und Weise für die Bühne zu adaptieren. „Jenseits von Gut und Böse“ handelt vom Aufeinandertreffen völlig unterschiedlicher Charaktere vom Rand der Gesellschaft und deren Maßstäbe und Werte. Humorvoll und abgründig setzt sich diese hochgelobte Produktion aus der freien Schweizer Szene mit dem Glauben, dem Guten und dem Bösen auseinander.
Ebenfalls aus der Schweiz kommt am 1. bereits um 19 Uhr Margrit Gysin mit ihrem Stück „Das Buch von allen Dingen“ nach einem niederländischen Kinder- und Jugendbuch. Darin geht um einen kleinen Jungen aus schwierigen Verhältnissen. Existentielle Themen wie häusliche Gewalt oder die Suche nach dem eigenen Glauben und dem Glück werden hier liebevoll und mit einer großen Portion Humor behandelt. „Wenn man das Figurentheater mit so etwas wie Magie belegen will, ist Gysin eine große Zauberin des Genres, die mit sparsamsten Mitteln in eine Rolle schlüpft und eine Geschichte erzählt, in die man völlig eintauchen kann und für eine Dreiviertelstunde alles andere vergisst“, schwärmt Hänsel von der international renommierten Grande Dame des Genres.
Mit dem Berliner Theaterpreis Ikarus 2011 ausgezeichnet wurden Ulrike Monecke und ihr Theater Ozelot für das Stück „Die mutige Prinzessin Glücklos“, das am 3. um 15 Uhr bei der marottinale zu sehen ist. Das Zauberstück nach einem alten sizilianischen Märchen ist ebenso wie Magrit Gysins Programm auch für größere Kinder ab sieben, beziehungsweise acht Jahren geeignet.
Für die noch Kleineren sind die Vormittagsvorstellungen vom 1. bis 3. sowie die Nachmittagsvorstellung am 2. vorbehalten. Gute Bekannte der marotte sind Paul und Wally Schmidt vom Nürnberger Theater Salz + Pfeffer. „Sie führen wohl eines der ganz wenigen Puppen- und Figurentheaterhäuser in Deutschland, in dem der Erwachsenenspielplan erfolgreicher ist als das Kinderprogramm“, sagt Hänsel nicht ohne Bewunderung. Salz + Pfeffer spielen in Karlsruhe am 2. ihr Comic-Theater-Stück „Du schon wieder“, ehe mit der Abendvorstellung des Stücks „Mascha Kalèko - Träume, die auf Reisen führen“ des Bremer Theaters Mensch Puppe am 3. die marottinale endet. Dann wird auch Hänsel wissen, ob seine Frau recht hatte, und die achte, die bislang beste marottinale gewesen ist.