Seit Urzeiten blicken die Menschen zum Mond, gerührt, fasziniert, sehnsüchtig, nur selten wohl ganz gleichgültig. Der Blick auf die Erde, den kleinen blauen Planeten im Weltraum, ermöglichten wohl erstmals die Apollo-Missionen in den 1960er Jahren. Der britische Künstler Luke Jerram knüpft mit seinem Projekt "Gaia" an den überwältigten Overview-Effekt an, von dem die Astronauten einhellig berichteten, und schafft aus einer Fülle von der NASA übermittelten Bildern eine sieben Meter große Leuchtkugel, einen Riesenglobus, der seit 2018 rund um die Welt tourt und vom 13. September bis 6. Oktober 2024 in der Evangelischen Stadtkirche am Karlsruher Marktplatz zu bewundern ist. Den Intentionen des Künstlers entsprechend, die Erde als Schöpfung in ihrer Gesamtheit wahrnehmen, ist die Installation mit einer Vielzahl von Veranstaltungen verbunden, die in Konzerten, Vorträgen, Poetry Slam, Stadtgesprächen, pädagogischem Begleitprogramm und Gottesdiensten den Fokus auf das Bewahren der Erde richten. Klappe Auf unterhielt sich mit der Pfarrerin Claudia Rauch (Foto links) und Kirchenmusikdirektor Christian-Markus Raiser (Foto rechts), die das Projekt gemeinsam unter das Kirchendach gehängt haben.
Im vergangenen Jahr hatte der britische Künstler Luke Jerram im Rahmen des Wissenschaftsjahrs eine beleuchtete Mars-Skulptur direkt vor Ihre Haustüre auf den Marktplatz gestellt, die viele faszinierte Blicke auf sich zog. Wie kam es, dass Sie nun ein noch viel populäreres Folgeprojekt, ein ebenfalls 7 Meter im Durchmesser großes Abbild der Erde einluden?
Pfarrerin Claudia Rauch: Tatsächlich waren die Verträge bereits unterzeichnet, als ich im vergangenen Sommer den Mars vor der Kirche entdeckte. Ich hatte Jerrams Projekt "Gaia" auf Instagram entdeckt und war fasziniert. Als ich erfuhr, dass die Erdkugel 2023 in der Dresdner Frauenkirche Station machte, bin ich dorthin gefahren und habe über den dortigen Pfarrer den Kontakt zu Jerrams Agentur gesucht. Er selbst ist ja mit den unterschiedlichsten Projekten praktisch pausenlos auf der ganzen Welt unterwegs.
Warum holen Sie den blauen Planeten in den Kirchenraum? Warum nicht auf den Marktplatz, wo viel mehr Menschen das Kunstwerk sehen würden?
Rauch: Zunächst einmal ist die Kirche der Ort, auf den wir unmittelbaren Zugriff haben. Ich glaube aber auch, dass dieses Kunstwerk gerade in unserer Kirche eine besondere Wirkung entfaltet. Denn ein Teil der Ausstrahlung der blauen Kugel ist, den Blick auf die Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit unseres Planeten zu lenken. Dies wiederum setzt sich in Beziehung zu unserem Kirchenraum, der ja von einer Zerstörungsgeschichte zeugt. Es war uns wichtig, nicht einfach nur ein Kunstwerk zu zeigen, sondern mit vielen PartnerInnen der Stadtgesellschaft das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus zu stellen.
Was versprechen Sie sich von dieser Aktion, die ja weit mehr sein will, als die Ausstellung eines Kunstobjektes?
Rauch: Zunächst bietet das Kunstwerk einen Blick auf unsere Erde, den normalerweise nur sehr wenige Menschen haben. Bei allen Astronauten, die so die Erde aus der Distanz sehen konnten, hat dieser Perspektivwechsel einen Umdenkungsprozess bewirkt. Wir haben "Gaia" bewusst bei den Fairen Wochen in Karlsruhe angesiedelt und viele Kooperationspartner gefunden. Neben Frieden und Gerechtigkeit ist ja die Bewahrung der Schöpfung eines der Leitmotive unserer Kirche und dabei ist es notwendig über das Kirchliche hinauszublicken.
Welche Rolle spielt Kunst in der Arbeit der Kirche?
Rauch: Kunst und Kirche sind zwei Begriffe, die eng zusammengehören, denn schließlich sind viele Kirchenräume und ihre Ausgestaltung selbst ja bedeutende Kunstwerke. Bei uns ist der nach der Zerstörung wiederhergestellte Innenraum ja betont nüchtern. Um so mehr erwarte ich mir eine sehr starke Wirkung des Kunstwerks. Wir haben praktisch täglich Veranstaltungen, die sich auf "Gaia" beziehen, führen aber auch unsere gewohnten Gottestdienste und Veranstaltungen durch. Auch für diese wird die über den Köpfen schwebende Erdkugel ein anderes Vorzeichen geben, da sie ein Staunen, aber auch ein Bewusstsein dafür vermittelt, dass wir auf sie aufpassen müssen.
Christian-Markus Raiser: Ich denke, dass Gaia so viele Menschen fasziniert, weil sie so viele Anknüpfungspunkte bietet, zum Beispiel die Installation auch musikalisch zu Bespielen. Wir haben hier eine Vielzahl von Konzerten unter anderm mit dem Orchester des Wandels, einem Zusammenschluss deutscher Orchestermusiker auch aus Karlsruhe, die sich für Nachhaltigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Gemeinsam mit der Musikhochschule haben wir unter der Woche täglich Mittagskonzerte um 13 Uhr, bei denen man einfach die Musik aufnehmen und dabei das Kunstwerk bewundern kann. Mit allen drei Karlsruher Singschulen zeigen wir am 2. Oktober das Kindermusical "Der Blaue Planet". Da werden sehr viele Kinder auf der Bühne sein. Da der leuchtende Ball natürlich besonders in der Dunkelheit seine Wirkung entfaltet, halten wir in dieser Zeit die Kirche bis 22 Uhr geöffnet.
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Kunstinstallation „Gaia“ von Luke Jerram und umfassendes Begleitprogramm in der Evangelischen Stadtkirche Karlsruhe, Marktplatz
13. September - 6. Oktober 2024
täglich geöffnet 13 bis 22 Uhr
alle Termine unter
gaia-in-karlsruhe.de