Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 08.2011
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Theaterleiter Achim Thorwald

Karlsruher Zeit und Zukunft

"Es ist eine große Gedankenlosigkeit, von den unbeweglichen Schlachtschiffen zu reden."


Nach neun Jahren verlässt Achim Thorwald als Intendant das Badische Staatstheater. Auch wenn der 1943 in Stuttgart geborene Theatermann die übliche Altersgrenze längst überschritt, denkt er nicht an Ruhestand. Im Gespräch mit der Klappe Auf äußert sich der auch kultur- und theaterpolitisch engagierte Thorwald über die Karlsruher Zeit, die Zukunftsfähigkeit des deutschen Theatersystems und das Manko der Karlsruher Kulturlandschaft.


Wie schwer fällt Ihnen der Abschied vom Theater´

Achim Thorwald: Das wird kein Ruhestand, und ich verabschiede mich schon gar nicht vom Theater. Demnächst inszeniere ich in Italien, Russland, der Schweiz und irgendwann auch wieder in Deutschland. In Südkorea berate ich beim Aufbau einer neuen Theaterakademie und bin für eine Gastprofessur im Bereich der Sängerausbildung im Gespräch. Auch in Oman helfe ich beim Aufbau eines neuen Opernhauses. Bis Herbst 2012 bin ich verplant und über die Zeit danach wird gerade gesprochen.

Gibt es im Rückblick auf Ihre Karlsruher Zeit einen ganz herausragenden Höhepunkt und eine ganz besondere Niederlage´

Thorwald: Ich hatte hier meine schönste Theaterzeit und kann keine einzelnen Höhepunkte nennen, alleine wie sich unter Birgit Keil das Ballett entwickelt hat, was Knut Weber aus dem Schauspiel gemacht hat und wie wir in der Oper Akzente setzen konnten, das gab schon eine ganze Reihe bemerkenswerter Produktionen. Man mag es kaum glauben, aber auf der Negativseite gibt es in den neun Jahren nichts herauszugreifen. Wir hatten eine tolle Atmosphäre hier am Haus, das Verhältnis zu Stadt und Politikern war immer gut, auch wenn es einmal Meinungsverschiedenheiten gab. Vor allem aber war es der überwältigende Zuspruch durch das Publikum, der uns den großen Rückhalt gab, davon sind alle hier am Haus begeistert.

Sie haben als Theaterleiter, aber auch als Regisseur und Theaterfunktionär zahlreiche Kontakte ins europäische Ausland und damit den internationalen Vergleich. Das deutsche Theatersystem gilt weltweit als einmalig, ist aber immer wieder mit Einsparansprüchen konfrontiert. Für wie zukunftsfähig halten Sie dieses Modell und wo liegen die Gefahren für dieses System´

Thorwald: Ich habe in meiner über 60-jährigen Tätigkeit am Theater festgestellt, dass es da einen ganz entscheidenden Punkt gibt, nämlich, dass es eine Veränderung der Wertschätzung von Kultur in der Gesellschaft gegeben hat. Kultur ist längst nicht mehr so selbstverständlicher Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens wie das früher der Fall war. Wir müssen daher über die Theaterpädagogik und in den Schulen versuchen, wieder etwas einzubringen, was offensichtlich verloren gegangen ist. Die Gefahr kommt von außen. Das System selbst erneuert sich ständig. Es ist eine große Gedankenlosigkeit, von den unbeweglichen Schlachtschiffen zu reden. Wir sind viel flexibler als viele andere Institutionen und stellen unsere Strukturen immer wieder selbst auf den Prüfstand. Dafür werden wir in der Theaterwelt überall beneidet, nicht des Geldes wegen, sondern in erster Linie wegen der künstlerischen Entwicklungsmöglichkeiten, die unser System bietet. Und ich kenne keinen Theatermann, der glaubt, er könne es sich in diesem System gemütlich machen, keinen einzigen…

Jahrelang waren Sie Sprecher des Karlsruher Kulturkreises, des Zusammenschluss der staatlichen und städtischen Kultureinrichtungen in Karlsruhe. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation der Karlsruher Kulturlandschaft, und wo hätten Sie sich Verbesserungen gewünscht´

Thorwald: Karlsruhe ist im Vergleich zu gleich großen und auch größeren Städten die interessanteste, die ich angetroffen habe. Alleine der Reichtum und die Qualität der Museen, das ZKM, aber auch die Kleintheaterszene, das Tollhaus, das Substage, und ich zähle unser Haus natürlich auch dazu - so eine Vielfalt finden sie in keiner vergleichbaren Stadt. Ich habe Karlsruhe immer wieder gegen die Selbsteinschätzung der Karlsruher verteidigen müssen. Was ich versucht habe voranzutreiben, war die Präsentation nach außen und das „Vermarkten“ Karlsruhes als Kulturstadt. Das hätte die Kulturszene der Stadt ganz anders verdient. Aber es gibt viel zu wenig finanzielle Mittel für ein effektives Kulturmarketing, was letztlich zeigt, dass dies auch nicht ganz so wichtig genommen wird. Das finde ich schade. Denn Karlsruhe ist nicht nur KIT und Technologieregion, sondern auch Kulturstadt, doch das kommt zu wenig `rüber.