Für Thomas Krupa ist es der vierte Faust, den er in seiner Theaterkarriere auf die Bühne bringt. Es scheint, als könne die Karlsruher Inszenierung, die in diesem Monat auf den Spielplan kommt, die Quintessenz seiner bisherigen, sehr unterschiedlichen Ansätze werden. Klappe Auf sprach mit dem Regisseur über seine jüngste Arbeit am Karlsruher Schauspiel.
Erstmals hatte Krupa Faust I vor 16 Jahren inszeniert, es folgte ein Projekt über Gustav Gründgens, das die Faustgeschichte unter dem Fokus des wohl berühmtesten Mephisto-Darstellers beleuchtete, und zuletzt die Inszenierung der Faust-Oper von Hector Berlioz. Ein Hauptargument für meine jetzige Arbeit war, daß die Inszenierung verstärkt in den zweiten Teil der Tragödie schaut. Faust I und Faust II an einem Abend freilich käme locker auf eine Spielzeit von über 15 Stunden. Da bedarf es schon eines speziellen Zugangs, einer Idee oder einer Maßgabe, um sich durch den gerne als unspielbar und durch seine Materialfülle erschlagenden zweiten Teil der Tragödie einen gangbaren Pfad zu schlagen. Ohne meine bisherigen Möglichkeiten, auf das Material draufzuschauen, wäre das kaum zu schaffen gewesen, sagt Krupa, die zündende Idee jedoch kam aus einer ganz anderen Richtung. Vor einigen Jahren unternahm der Volkswirtschaftler Hans Christoph Binswanger, unter anderem Doktorvater von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, unter dem Titel Geld und Magie eine ökonomische Deutung des Goetheschen Faust. Binswanger überträgt in seiner Interpretation den alchemistischen Prozess, um den es im Faust in immer abgewandelter Form geht, auf die Wirtschaft.
180 Jahre später nimmt sich vor dem Hintergrund von Finanzkrise, Globalisierung, Börsencrash und fiktiven Geldwerten die Gestalt des Faust, der etwa am bankrotten Kaiserhof als Sanierer auftritt, als die eines sehr erfolgreichen Unternehmers aus. Permanent befindet er sich in der Beschleunigungszentrifuge, aus der zu entkommen er vom Teufel in der nicht gewinnbaren Wette den glücklich machenden, entschleunigten Moment der Nichtkäuflichkeit einfordert. Goethe auf diese Weise neu zu lesen ist für Krupa auch deshalb schon sinnvoll, weil Goethe von dieser Materie als der für Wirtschaftsfragen zuständige Minister am Weimarer Hof hellsichtige Ahnung besaß. So wird der Karlsruher Faust eng an unserer Gegenwart gebaut, ohne dass in Sprache, Bühnenbild oder Inszenierung mit modernisierendem Schnickschnack gearbeitet werden müsste.
Personell auf ein Minimum von vier die verschiedenen Phasen verkörpernde Faustdarstellern, Gretchen und Mephisto reduziert will Krupa durch die in Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen und Faust-Experten Donald Berkenhoff entstandene Fassung alles andere als eine trockene Wirtschaftsabhandlung bieten. Im Gegenteil soll unterstützt von der Musik des Stockhausen-Mitarbeiters Mark Polscher, den von Countertenor Christopher Robson interpretierten romantischen Gretchen- und Faust-Liedern, den Videos von Jana Findeklee, den Kostümen von Ines Burisch und dem Bühnenbild von Thilo Reuther ein höchst praller und sinnlicher Faust auf die Bühne des Schauspielhauses kommen. Ein rasanter Ritt durch die Geschichte, durch Zeiten und Welten, über den Krupa sagt: Ich glaube, die Karlsruher können sich auf etwas freuen
> Faust, 20., 25. und 28.3., Badisches Staatstheater, Schauspielhaus, Karlsruhe, Baumeisterstraße 11; Sonntag vor der Premiere, 14.3., 11 Uhr; Hans Christoph Binswanger, Geld und Magie, Vortrag, 28.3., 11 Uhr, Probebühne 1