Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 06.2009
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Killerspiele

Fast sein ganzes Leben lang – und das währt mittlerweile immerhin über 90 Jahre - hat Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt Menthol Zigaretten geraucht. Schachtelweise mit „Freude und Genuss“, wie er sagt, und daran will er auch bis zu seinem Tod nichts ändern.
Dass dieser Tod trotz Dauerberäucherung der Lunge bisher nicht eingetreten ist und Schmidt statt dessen noch immer einen kreuzfidelen und sehr lebendigen Eindruck hinterlässt, ist durchaus bemerkenswert. Trotzdem dürfte niemand der abstrusen Idee anheim fallen, Rauchen sei ungefährlich. Anders sieht es beim viel diskutierten und heftig umstrittenen Computerspiel-Event aus, das Anfang Juni in der Schwarzwaldhalle statt finden soll(te).
Verbot oder nicht Verbot heißt die Frage, die Oberbürgermeister Heinz Fenrich am Ende sogar ein massives Misstrauensvotum seiner eigenen Partei eintrug. Denn in der Schwarzwaldhalle soll unter anderem Counter Strike dort gespielt werden, das Spiel der Attentäter von Winnenden und Erfurt. Solche Spiele haben in unserer Stadt nichts zu suchen, sagt die CDU. Die Spiele sind (noch) jugendfrei und demnach könne auch die Veranstaltung nicht verboten werden, sagt Fenrich, der die Gelegenheit immerhin nutzen wollte, um eine Aufklärungsdebatte los zu treten. An deren Ende möglicherweise stehen könnte, dass solche „Killerspiele“ tatsächlich verboten werden.
Doch da versteht die Computerspielgemeinde keinen Spaß. Es sei wissenschaftlich nicht erwiesen, dass „Killerspiele“ auch reale Killer erzeugen. Mehr als 1,6 Millionen Menschen allein in Deutschland hätten bereits Counter Strike gespielt und seien trotzdem nicht zu Amokläufern geworden. Dabei wird mit einer Vehemenz und Aggressivität argumentiert, die fast schon an das erinnert, was man normalerweise von Sektenmitgliedern zu hören bekommt. Wer ein Verbot fordert, wird als „selbst ernannter Experte“ und „Dummschwätzer“ tituliert.
Dass unter den Mahnern mit Manfred Spitzer Deutschlands anerkanntester Hirnforscher ist, wird als belanglos abgetan. Spitzer sei auch nur ein Panik verbreitender Spinner. Aber immerhin ein „Spinner“, dessen Ein- und Ansichten beispielsweise von Spitzen-Trainern vieler Sportarten angewandt werden, wenn es darum geht, etwas in den Köpfen der Spieler fest zu verankern. Wenn Spitzer also warnt, „dass das Spielen solcher Spiele zur Abstumpfung gegenüber realer Gewalt in der mitmenschlichen Umgebung führt und dass die eigene Gewaltbereitschaft zunimmt“, dann darf dies sehr ernst genommen werden und seriöse Gamer tun dies auch.
Doch darum geht es im vorliegenden Fall eigentlich nur am Rande. Keine drei Monate sind vergangen, seit ein jugendlicher Amokläufer in Winnenden 15 Menschen und anschließend sich selbst tötete. Knapp drei Monate und 70 Kilometer Luftlinie von Karlsruhe entfernt. Stuttgart, der ursprüngliche Austragungsort, sagte die Veranstaltung ab. Man könne eine solche Veranstaltung „derzeit“ nicht akzeptieren, wird Oberbürgermeister Wolfgang Schuster in einer Pressemitteilung der Stadt Karlsruhe zitiert. Was so viel heißen soll wie: Diese Friday Night Games können so schlimm nicht sein.
Sicherlich sind solche Spielenächte inzwischen ganz klar Teil der Jugendkultur, und wenn der Jugendschutz beachtet wird, so wie im vorliegenden Fall, dann muss dies auch von einer älteren, „nichts mehr blickenden“ Generation ertragen werden. Die ihrerseits schließlich einst auch mit Rock’n’Roll und langen Haaren gegen die damalige Gesellschaftsordnung aufbegehrte. Warum die Spielenacht aber keine drei Monate nach dem Amoklauf kaum 70 Kilometer von Winnenden entfernt in Karlsruhe statt finden „muss“, mag – wer Mut hat – den Eltern und Mitschülern der Winnender Opfer von Angesicht zu Angesicht erklären. Eine längere Schamfrist wäre angebracht gewesen.

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