Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 07.2008
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Die heiße Luft der Spiele

Ich bin noch ganz hin und weg von dem 4 zu 3 gegen Italien im Endspiel der Fußball-EM. Mit seinem fantastischen Seitfallrückzieher in der letzten Minute der Verlängerung auf Zuspiel von David Odonkor hat Mario Gomez, der zuvor glücklose Torjäger, nicht nur für den verdienten Sieg der deutschen Elf gesorgt, sondern auch die Schmach des Halbfinal-Aus von 2006 getilgt und viele alte, immer noch blutende Wunden deutscher Fußfallfans, die seit dem Spiel des Jahrhunderts von 1970 (Italien -Deutschland 4. 3)bislang vergeblich auf Revanche hofften, endlich gestillt.
Ach, ich weiß, es ist nur ein Traum. Wenn ich dies schreibe, ist ja noch nicht einmal gewiss, ob Löws müde Krieger die leichtfüßigen Portugiesen bezwingen werden.

Ehrlich gesagt, ich glaube nicht so recht, dass dieses Endspiel-Szenario Realität wird. Ich fürchte eher, dass es nicht stimmt, dass es nicht zutrifft, dass es nicht der Wahrheit entspricht.
Wie bitte´ Warum ich dreimal dasselbe in etwas anderen Worten sage´ Das stört sie, aber die Berichterstattung von ARD und ZDF haben sie mit Interesse verfolgt, obwohl da immer wieder dasselbe - weit mehr als dreimal - gesagt wurde.

Wer bei der ständigen nervtötenden Beschwörung des Wunders von Cordoba mit dem O-Ton des österreichischen Reporters Edi Finger („I werd narrisch“) im Vorfeld des Spieles gegen Österreich nicht selbst narrisch geworden, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Die flächendeckende Berichterstattung über das zweitwichtigste Sportereignis des Jahres ist vor allem durch eines gekennzeichnet: Redundanz, dem Breitschlagen ohnehin weicher Fakten, der ständigen Wiederholung derselben Bilder und derselben „Analysen“.
Beim Fußball kann jeder mitreden, der weiß, dass der Eckball nicht eckig ist, und die Aussagen der „Experten“, mögen sie nun Günther Netzer oder Jürgen Klopp heißen, tun wenig dazu mit ihrer Sachkunde den Laien zum Staunen und zum Verstummen zu bringen. Auf ein Gramm Erkenntnis kommt ein Kilo Phrasendrescherei. Im Falle des Dialogs von Delling und Netzer ist das alles noch neckisch aufgemotzt als Buddy-Movie, als Vorstellung von zwei grundverschiedenen Charakteren, die sich irgendwie zusammenraufen, als Plisch und Plum der deutschen Sportberichterstattung.
Von der Expertenrunde, die Waldemar Hartmann nach Spielschluss um sich scharte, gar nicht zu reden und ganz zu schweigen von den „Comedians“ um Ingolf Lück, die im ZDF ums Verrecken den Fehlschüssen der Fußballer ihre humoristischen Rohrkrepierer hinterherschickten.

Diese Redundanz liegt in der Natur der Sache. Was beim Fußball zählt ist „aufm Platz“, das Drumherum kann man den Hasen geben. Wenn ein Fußballer nach einem mäßigen Spiel ein Mikrofon vor die Nase gehalten wird, dann läuft das in der Regel so ab, dass er die Frage des Reporters einfach in Form einer Schein-Antwort in dessen Feld zurückspielt. Etwa so: „Das Spiel ist heute nicht gut für Sie gelaufen´ Haben Sie eine Erklärung dafür“, „Das war heute einfach nicht mein Tag“ oder andersrum: „Das war heute nicht Ihr Tag. Haben Sie eine Erklärung dafür´“ „Das Spiel ist heute nicht so gut gelaufen.“
Das ist Jacke wie Hose und keine ganz neue Erkenntnis. Aber so richtig bewusst wird einem die Sache erst, wenn sie einem Stunden und Tage lang vorgeführt wird. Was einem noch mehr als bisher aufstoßen konnte bei dieser EM-Berichterstattung war die Selbstinszenierung der Kommentatoren. Dass Johannes B. Kerner auf der Seebühne von Bregenz agierte, machte die Tatsache in bislang einmaliger Weise augenfällig.
Aber auch sonst präsentierten sich die Berichterstatter gerne in schöner Umgebung, vor dem Lago Maggiore, vor dem Stephansdom, auf der Alm. Wenn es schon nichts zu sagen gibt, dann gibt es doch wenigstens schöne Bilder. Beim dem vielen Drumherum, bei den vielen Stunden, die auf die Vor- und Nachbereitung der Spiele verwendet wurden, gerieten die Spiele selbst in Hintertreffen.

Das ist symptomatisch für die neuere Sportberichterstattung, die immer mehr Brutto und immer weniger Netto liefert. Wenn die Privaten Formel Eins-Rennen übertragen, werden zuvor auch noch der Kampf um die Pole-Position, das Training und das „Warm-Up“ lang und breit übertragen und mit Werbeeinblendungen zusätzlich gestreckt; wenn ein Boxkampf im Fernsehen ansteht, dann ist das mediale Vorgeplänkel mit dem Einfangen von Promi-Stimmen rund um den Ring sowie den tiefschürfenden Ausführungen beschäftigungsloser Ex-Boxer in der Regel um ein Mehrfaches länger als der eigentliche Kampf, der nicht selten Stunden lang auf sich warten läßt.
Tara heißt das, was dabei herauskommt, wenn man Netto von Brutto abzieht, Tara ist das Verpackungsgewicht. Im normalen Warenverkehr nennt man das Missverhältnis von Verpackung und Inhalt Mogelpackung. Es ist eine recht zutreffende Bezeichnung für den medialen Umgang mit der Ware Sport.