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Archiv: 04.2018
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Europäischen Kulturtage

Umbrüche - Aufbrüche

Ein bisschen gebastelt wirken sie schon, die zahlreichen Jubiläen, welche die Verantwortlichen der Europäischen Kulturtage (EKT) versammelt haben, um das Festivalthema „Umbrüche - Aufbrüche“ zu unterfüttern: 200 Jahre Badische Verfassung, 170 Jahre Märzrevolution 1848, vor 125 Jahre wurde in Karlsruhe das erste Mädchengymnasium in Deutschland eröffnet, 100 Jahre Novemberrevolution, 50 Jahre 68er-Bewegung, um nur einige zu nennen. Und nicht zu vergessen die Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948, also vor 70 Jahren. Darin heißt es zuvorderst: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, und so ist der Slogan „Gleiche Rechte für Alle“ der Untertitel des gut zweiwöchigen Festivals, zu dem knapp drei Dutzend Karlsruher Kultureinrichtungen und Initiativen Programmbeiträge beisteuern. Als inhaltliche Schwerpunkte rücken Frauenrechte, die 68er-Bewegung sowie der Widerstand in Diktaturen in den Fokus.

Über den größten Programmanteil verfügt wie in den Vorjahren das Badische Staatstheater, das mit der Stadt Karlsruhe gemeinsam den Programmreigen verantwortet. Neben vier eigenen Produktionen, dem Volkstheaterstück „Radikale Akte“ (siehe Tagestipp zum 29.4.), dem Recherchestück „Die Ehen unserer Eltern“ über die 1968er-Generation in ihrer Rolle als Mütter und Väter sowie dem Hippie-Musicals „Hair“ befasst sich das Staatstheater in Gastspielen mit den Umbrüchen am südöstlichen Rand Europas: Gleich mit zwei Stücken kommt der syrische Regisseur Rafat Alzakout mit dem arabischen Theaterkollektiv Ma’louba ins Staatstheater. In dem tragikomischen „Your Love is Fire“ verarbeitet der junge syrische Autor Mudar Alhaggi am Samstag, 21. April, seine persönlichen Erfahrungen des Krieges in Syrien, den Verlust des Heimatlands und das Exil in Deutschland. „Ya Kebir“ am 22. konfrontiert die Zuschauer mit dem von Tyrannei und Korruption, Umbrüchen und Aufbrüchen geprägten Syrien und der Gewalt im Kontext einer patriarchalen Gesellschaft. Zum zweiten Mal bei den EKT zu Gast ist am Donnerstag, 26. April, die Praxis Theatre Group aus Teheran, diesmal mit dem Stück „I am a woman. Do you hear me?“ Sieben Schauspielerinnen und ein Schauspieler präsentieren Geschichten aus dem Leben iranischer Frauen von heute, von den Niederlagen und den Glücksmomenten, vom Schmerz und vom Leid.

Mit seiner Programmfülle, die sich in einem mehr als 200 Seiten starken Programmkatalog finden, der auch lesenswerte Hintergrundtexte und Statements beinhaltet, machen die Kulturtage glatt vergessen, dass es sich bei der dichten Großveranstaltung eigentlich um ein Sparpaket handelt, haben sich die EKT doch glatt das langjährige Festival Frauenperspektiven einverleibt. Dies soll zumindest in diesem Jahr nicht zum Schaden des Frauenaspekts sein. So zeigt das Filmboard am Samstag, 21. April, in der Schauburg die Female Award Nominees und die Kinemathek mit „Moving Bodies“ Videos und eine Filmreihe zu Gender und Feminismus im Film (siehe Filme), die GEDOK beschäftigt sich mit dem Wahn vom schönen Frauenkörper und in der Städtischen Galerie sind mit der Südafrikanerin Marlene Dumas und der Deutschen Rosemarie Trockel zwei ausgesprochen feministische Kunstikonen ausgestellt (siehe Kunst). Aber auch in in zahlreichen anderen der insgesamt über 80 Ausstellungen, Aktionen, Aufführungen, Konzerte, Lesungen, Vorträge und Diskussionen stehen Frauen aus historischer Perspektive oder unter Gegenwartsaspekten im Mittelpunkt. Bereits in ihrem Eröffungsvortrag am Freitag, 20. April, im Bürgersaal des Karlsruher Rathauses beschäftigt sich die Richterin des Bundesverfassungsgerichts Susanne Baer mit Frauenrechten und Religionsfreiheit.

Immer wieder treten Ambivalenzen in den Blick, denn mit Fortschritten verbundene Revolutionen und Aufbrüche wurden häufig von Rollbacks und antiaufklärerischen Fehlentwicklungen gefolgt, und auch die Lage in einem sich verändernden, identitätsuchenden Europa und einer immer digitaler werdenden Welt ist voller Gefahren und Fallstricke. So positionieren sich die EKT in ihrem spartenübergreifenden Festival „künstlerisch aufbrechend, politisch zur Weltoffenheit bekennend und proeuropäisch werbend“. Begonnen wird das Festival am Freitag, 20. April, in der geographischen und ideologischen Mitte der Stadt, dem Schloss. Ausgehend vom ehemaligen Thronsaal, dem Raum, der am 11. November 1918 vom Obermatrosen a. D. Heinrich Klumpp während der Novemberrevolution beschossen wurde, führt die interaktive Ausstellung „Revolution! Für Anfänger*innen“ durch Geschichte und Mechanismen der Revolutionen von 1848/49 bis hin zum Arabischen Frühling. Zu Ende gehen die 24. Europäischen Kulturtage am Samstag, 5. Mai, dem Europatag, im Kulturzentrum Tollhaus, wo eine Fotoausstellung „Gleiches Recht auf Glück. Inklusion leben“, der Abschluss des Jugendprojekts „Baustelle Zukunft: Take your Rights“ und das famose ukrainische „All girls freak cabaret“ Dakh Daughters ein markantes Signal zum Aufbruch setzen.

> 24. Europäische Kulturtage 2018, 20. April bis 5. Mai 2018,

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